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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
Autoren: Robert Merle
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Épernon. Aber das Attentat erfolgte so schnell, daß keiner außer Épernon die Messerstiche überhaupt sah, sondern nur das Blut, das dem König aus dem Munde brach.
    Monsieur de La Force versagte die Stimme, und Castelnau, der mir seinen Arm um den Hals warf, drückte mich an sich und sagte mir leise ins Ohr: »Was können sie uns jetzt noch Schlimmeres antun, als das Edikt zu widerrufen und uns aufs neue zu verfolgen?«
    Ich lief den ganzen Weg von den Gemächern des Königs zu denen des Dauphins zurück, der bei meinem Eintritt den Kopf hob. Sein Gesicht erschien mir weniger traurig als verschlossen, und erst als er sprach, verriet er sich. Seine Stimme war so kindlich wie lange nicht, und er stotterte sehr, als er sagte: »Siorac, wollt Ihr meinem Hund bitte guten Tag sagen?« Ich kniete neben seinem Schemel nieder und liebkoste Vaillant zugleich mit ihm. Meine Gegenwart schien Louis zu erleichtern, wie wenn er sich mir wegen meines Alters näher fühlte. Monsieur de Souvré und Doktor Héroard mußten sich geeinigt haben, ihm nicht mehr mitzuteilen, als was in der Karosse gesagt worden war, und standen stumm an seiner Seite, ohne daß er sie anzusehen oder Fragen zu stellen wagte.
    Die Herzogin von Montpensier störte das Schweigen. Sie kam in das Gemach gestürzt und schrie mit schriller Stimme: »Wo ist der Dauphin? Wo ist der Dauphin? Die Königin will ihn auf der Stelle sehen!«
    Der Dauphin hob nicht den Kopf, noch sah er sie an. Das Gesicht über seinen Hund gebeugt, fuhr er fort, ihn zu streicheln. Die Herzogin, die nicht wußte, was sie tun sollte, trat zu Monsieur de Souvré, der ihr lange ins Ohr sprach.
    »Monsieur«, sagte sie nun in sanfterem Ton und mit einer tiefen Reverenz, »möge es Euch belieben, Ihre Majestät die Königin aufzusuchen. Der Chevalier de Siorac kann Euch begleiten, wenn es Euch Freude macht.«
    »Siorac, wollt Ihr bitte mitkommen?« sagte Louis.
    »Gern, Monsieur.«
    Und ich sprach dieses »Monsieur« in der Gewißheit, die aus brennender Trauer, aber auch aus Liebe und Trost erwuchs, daß ich das nächstemal, wenn ich ihn anredete, »Sire« sagen würde.
    Die Königin, die noch nicht frisiert und angekleidet war, spielte in ihren Gemächern eine Tragödie nach italienischer Manier, sie schluchzte, schrie und rang pathetisch die Hände und Arme, doch wenn man ihre Augen beobachtete, dünkte sie mich weder so überrascht noch so erschrocken, wie sie hätte sein müssen.
    »L’hanno ammazzato!«
1 schrie sie auf, als Louis eintrat.
    Bei späterem Nachdenken hierüber verwunderte mich der Plural, denn in der Folge behauptete die Macht, Ravaillac habe als einzelner gehandelt. Aber was ich in diesem Augenblick empörend fand, war, daß die Königin ihrem Sohn den Tod des Königs von Frankreich auf italienisch mitteilte.
    Mit diesen Worten, die Louis vielleicht gar nicht verstanden hatte, warf sie sich über ihn, umschlang ihn und drückte ihre Lippen auf seine Wange. Der Dauphin wirkte mir höchst peinlich berührt und überrascht, und er hatte in der Tat einige Gründe, es zu sein, und erhielt dazu noch mehr im Lauf der Jahre: dies sollte der einzige Kuß bleiben, den er von seiner Mutter in den sieben Jahren erhielt, die ihre Regentschaft währte.
    Der Kanzler de Sillery trat, nachdem er die Königin um Erlaubnis gebeten hatte, an ihre Stelle und gab dem Dauphin nun einen Bericht von der Ermordung seines Vaters; und dieser Bericht stammte zweifelsohne vom Herzog von Épernon, der im Gemach zugegen war.
    Zu Beginn dieser Szene war ich neben der Tür an der Wand stehengeblieben, und da ich ob meiner Nichtigkeit völlig übersehen wurde, konnte ich in aller Muße beobachten. Im Gemach des Königs beweinte man die Vergangenheit. Im Gemach der Königin, wie ich sehr bald feststellte, wurde die Zukunft vorbereitet. Es war sicherlich kein Zufall, daß hier die ganze spanische Partei versammelt war: die Königin, Villeroy, Sillery, Épernon. Niemand fehlte, nicht einmal Concini, der sich diesmal bescheiden und stumm in einer Fensternische hielt und auf alles lauschte.
    Als der Kanzler Sillery seinen Bericht beendet hatte, sagte Louis: »Wenn ich doch dort gewesen wäre mit meinem Degen! Ich hätte den bösen Mann getötet!«
    Seine Naivität schien niemanden zu rühren, und in dem Schweigen, das hierauf folgte, begann die Königin abermals mit ihren Klagen und Schreien: »Der König ist tot! Der König ist tot!« Entweder befand der Kanzler de Sillery, daß sie zuviel des Guten tat,
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