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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
Autoren: Robert Merle
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ohne weiteres erhoffen dürfen, eines Tages die höchsten Staatsämter zu bekleiden. Ob ich mir darauf aber soviel hätte einbilden sollen, weiß ich nicht. Bestimmt hatte ja die Ehre, daß Heinrich IV. bei mir Pate stand, nichts mit den Verdiensten eines quärrenden Knäbleins zu tun, sondern mit der Gunst, die mein Vater genoß, der erste Marquis de Siorac, sowie mit den inständigen Bitten meiner lieben Patin, der Herzogin von Guise, die mir – sogar schon vor meiner Geburt – so zärtlich zugetan war, daß es ihren ältesten Sohn erzürnte. Allerdings war, wie Richelieu es einmal so grausam formulierte, des jungen Herzogs »Verstand nicht größer als seine Nase«; der Hof nämlich fand diesen Fortsatz an ihm lächerlich klein.
    Und jetzt, da ich es als reifer Mann bedenke, kann der Prunk meiner Taufe mich erst recht nicht blenden. Von den drei Patenkindern Heinrichs IV. war ich das einzige, dem das Glück hold war, mehr allerdings auf Grund meiner treuen Dienste als eingedenk jenes glänzenden Anfangs. Das berühmteste königliche Patenkind, Heinrich II. von Montmorency, wurde unter Ludwig XIII. wegen Hochverrats enthauptet. Das ruhmloseste, zumindest von der Geburt her, Marie Concini, eine Tochter des Concino Concini und der Leonora Galigai, starb mit acht Jahren.
    Ich war schon ein Jahr 1 , als ich getauft wurde – späte Taufen waren damals Mode –, und es mag dem Leser einleuchten, daß ich die Ehre, den König zum Paten zu haben, in dem Alter nicht besonders empfand. Ganz im Gegenteil. Denn als ich, wie es mir mehr als hundertmal erzählt worden ist, aus dem molligen Schoß Gretas, meiner elsässischen Amme, gehobenund den königlichen Händen überantwortet wurde, ergriffen mich diese so ungeschickt, daß ich fast zu Boden gestürzt wäre und nur im letzten Augenblick, noch dazu mit einer Härte gepackt wurde, daß ich, hocherregt ob der gewaltsamen Erschütterung, aus vollem Hals losbrüllte.
    »Ist das ein Schreihals!« sagte der König. »Aus dem machen wir einen großen Prediger, wie unser Freund Du Perron ...«
    Woraufhin alle Umstehenden lachten, auch der Kardinal Du Perron selbst, der mir unter Beihilfe des Abbé Courtil, Pfarrer von Saint-Germain-l’Auxerrois, und seiner geistlichen Diener, die Ölung gab.
    »Oh, Sire!« sagte die Herzogin von Guise, »hütet Euch, meinen Sohn fallen zu lassen.«
    »Euren Sohn, liebe Cousine?« fragte der König. »Ihr wolltet natürlich Patensohn sagen.«
    Und obwohl Heinrich – unser großer König Henri Quatre – sie damit foppen wollte, rang sich Monseigneur Du Perron, wie Greta mir erzählte, diesmal nur ein dünnes Lächeln ab.
    »In Fahrheit«, fuhr Greta fort, die das »w« wie »f«, das »d« wie »t« und überhaupt weiche Laute hart aussprach, weil sie Elsässerin war, »in Fahrheit hatte der König, während der Kartinal seines Amtes faltete, nämlich nur Augen für die Frau Marquise de Verneuil, die ja schön war wie die Liepe selbst und prächtig ganz in Krün gekleidet und mit zwölf Tiamanten im schwarzen Haar.«
    »Hast du sie gezählt, Greta?« fragte ich, als ich schon größer war.
    »Tas nicht, aber als wir von Saint-Germain-l’Auxerrois zum Loufre zurückkehrten, wo uns ein schönes Mahl erfartete, sagte der König zur Marquise: ›Liebste, Ihr habt ja nur zwölf Diamanten im Haar. Nach der neuesten Mode müßtet Ihr fünfzehn tragen.‹ – ›Woraus ich schließe, Sire‹, gab die Marquise zurück, ›daß Ihr mir die drei fehlenden schenken wollt.‹ Eine Keriebene war tas! Und was für schöne Forte sie machen konnte, um ihren Liephaper zu kirren.«
    »Und wie schön war die Marquise?« fragte ich.
    »Nun sehe sich tas einer an!« sagte Greta. »Kaum aus dem Ei geschlüpft, noch naß hinter den Ohren, und schon interessiert sich das Hähnchen für die Hennen! Na ja«, fuhr sie fortund vergaß, daß sie Madame de Verneuil eben noch »schön wie die Liepe selbst« genannt hatte, »kenau genommen war sie so eine Lange, Dunkelhaarige, hatte so kelbliche Haut und einen kroßen Mund.«
    Hiermit ging Greta wie üblich und holte meine Taufurkunde aus einer Kassette, die auf Anordnung meines Vaters im Geheimfach eines kleinen Ebenholzschrankes aufbewahrt wurde. Sie hielt sie mir hin und forderte, ich solle den Text laut vorlesen, weil sie des Lesens unkundig war.
    Da stand denn auf schönem Pergament geschrieben, daß in der Kirche Saint-Germain-l’Auxerrois durch Monseigneur Du Perron die Taufe des Pierre-Emmanuel de Siorac, Sohn des
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