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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Autoren: Iny Lorentz
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heraus feuerte Po’ha-bet’chy darauf und sah staunend, wie bei zweien davon Federn davonwirbelten und sie zu Boden stürzten.
    »Hol die Tiere, Ta’by-to’savit«, sagte er in seiner Sprache zu seinem Gefährten. Dieser jagte im Galopp zu der Stelle, an der das Kaninchen lag, beugte sich im Vorbeireiten nieder und hob es mit einem schrillen Ruf auf. Ebenso verfuhr er mit den beiden Präriehühnern.
    Walther sah staunend zu. Einen so geschickten Reiter hatte er noch nie gesehen.
    Unterdessen betrachtete Po’ha-bet’chy nachdenklich die Büchse. Die Waffe war gut, und er hätte sie gerne gehabt. Dann aber schüttelte er den Kopf und gab sie Walther zurück.
    »Du kein Mann aus dem Norden. Sonst Gewehr du mir nicht gegeben. Haben du Salz?«
    »Ja, auf meiner Farm«, antwortete Walther zögernd.
    Es drängte ihn, die Büchse wieder zu laden, um sich nicht länger wehrlos zu fühlen. Doch um den beiden Nemene keinen Grund zum Misstrauen zu geben, ließ er sich dabei Zeit und zeigte Po’ha-bet’chy die kleinen Schrotkugeln. Dieser nahm eine in die Hand und schüttelte ungläubig den Kopf. »Präriehühner weit weg. Kein Gewehr mit vielen kleinen Kugeln so weit schießen!«
    »Du hast es doch selbst erlebt. Oder sehe nur ich die beiden Vögel, die dein Freund in der Hand hält?«, antwortete Walther lächelnd.
    Po’ha-bet’chy forderte seinen Begleiter auf, ihm die Präriehühner zu geben, und sah nun selbst, dass jedes davon von mehreren Schrotkugeln getroffen worden war. »Das besonderes Gewehr«, sagte er staunend und wies dann in Richtung der Farm. »Jetzt Salz holen!«
    Es gefiel Walther wenig, dass die Nemene zur Farm wollten. Um sie daran zu hindern, hätte er sie jedoch über den Haufen schießen müssen, und das wollte er nicht.
    »Es ist nicht weit«, sagte er und schritt neben Po’ha-bet’chys Schecken her.

2.
    G isela fühlte sich nicht wohl. Es war ihr kein Trost, dass ihre Nachbarin Rosita Jemelin erklärt hatte, Schwangerschaften würden solche Beschwerden mit sich bringen. Am liebsten wäre sie den ganzen Tag über im Bett geblieben und hätte geweint. Gerade das konnte sie sich aber nicht leisten. Walther und Pepe benötigten etwas zu essen, und sie musste sich dringend um die Gemüsepflanzen kümmern. Jetzt bedauerte sie doppelt, dass Gertrude Schüdle, die in den ersten Wochen bei ihnen gewohnt und ihr geholfen hatte, zu den Poulains gezogen war. Dort wurde sie allerdings dringender gebraucht als hier. Charlotte Poulain war durch einen Schlangenbiss schwer erkrankt und die achtjährige Cécile noch zu klein, um den Haushalt zu führen. Durch Gertrudes Abreise war einiges liegengeblieben. Wenigstens versorgten die drei Hirten sich selbst und kamen nur alle paar Tage zur Farm, um Vorräte zu holen.
    »Ich darf Walther nicht im Stich lassen, nachdem er so viel für mich getan hat«, sagte sie stöhnend zu sich selbst und kämpfte sich hoch. Es fiel ihr schwer, sich zu waschen und anzuziehen. Danach musste sie das Feuer auf dem Herd entzünden, Wasser vom Bach holen und einen Kochtopf über die Flamme hängen.
    Während sie die Graupen für die Suppe abmaß, sehnte sie sich in die gut eingerichtete Küche im Renitzer Forsthaus zurück. Doch der Weg dorthin war ihr für immer versperrt.
    »Stell dich nicht so an!«, rief sie sich zur Ordnung. »Du lebst jetzt hier und musst mit dem auskommen, was du hast!« Sie sagte sich, dass es Walther und ihr weitaus besser ging als vielen anderen Auswanderern, die in die Dienste fremder Leute hatten treten müssen, um nicht zu verhungern. Sie hingegen besaßen Land und ein eigenes Haus, auch wenn es kleiner war als das Forsthaus im Wald von Renitz. Draußen weideten mehrere Kühe und ein Bulle. Auch hatte Walther mit Hilfe ihrer Freunde Thierry Coureur und Thomé Laballe und dem Zugochsen, der ihnen gemeinsam gehörte, das erste Getreide ausgesät.
    »Nächstes Jahr wird alles besser«, sagte sie laut, um sich selbst Mut zu machen. Dann war sie auch die Last in ihrem Leib los, von der sie noch immer nicht wusste, ob sie sie nun lieben oder verdammen sollte. Wäre sie sicher gewesen, dass es Walthers Kind war, hätte sie die Beschwerden der Schwangerschaft mit Freuden auf sich genommen. Doch wenn sie in den Nächten schlaflos neben ihrem Mann lag, erlebte sie in Gedanken immer wieder, wie Diebold von Renitz sich ihrer bemächtigt und sie vergewaltigt hatte.
    Sie hatte den jungen Renitz erschießen müssen, als dieser ihren Mann töten wollte, und seit jenem
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