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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels
Autoren: James Morrow
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frisches Obst und nette Eingeborene.«
    »Aber du warst doch noch nie dort!«
    »So wie ich es sehe, wäre die Alternative eine extreme, schmerzhafte Hungersnot. Und die habe ich schon mal erlebt.«
    Francis hatte die ganze Zeit gewußt, daß Burne als Krisenmanager fungieren würde. Burne war hart und zäh. Burne praktizierte Archäologie, die unbequemste aller Wissenschaften. Er schlief unter den Sternen und brachte die verschiedenartigsten Eingeborenen dazu, Dinge zu tun, die sie eigentlich lieber nicht tun würden. Als Burne einmal auf einem eisigen Außenmond nach Zivilisationsspuren gesucht hatte, war die lebenswichtige Thermalpumpe an seinem Kinn innerhalb des normalerweise undurchlässigen Druckanzugs gefroren. Der erfinderische Burne hatte sich daraufhin in die Zunge gebissen, warmes Blut auf den Motor gespuckt und ihn wieder in Gang gebracht. Mit Anfang Dreißig genoß der Mann bereits einen bescheidenen Ruf als eine Art interplanetarer Glücksjäger, dessen Leben man eines Tages zu einem furchtbar wirklichkeitsfremden Kino-Epos machen würde.
    Hingegen war Luther ein introvertierter, bärbeißiger Exzentriker, der im Namen der soziologischen Forschung einmal versucht hatte, von der Regierung eine entsprechende Bewilligung zu bekommen, um Eremit zu werden. Inzwischen war der selbstgenügsame Chemiker über siebzig Jahre alt und verlangte von der Welt nichts weiter als Schweigen und Materie. Wenn die ganze Menschenrasse eines schönen Tages in die Luft gehen sollte, würde Luther ein paar exotische Kristalle studieren und glücklich sein. Aber wenn sämtliche exotischen Kristalle eines schönen Tages in die Luft gehen sollten, würde Luther vor Einsamkeit sterben.
    Kappie, das Wunderkind des Teams, war letzte Woche dreiundzwanzig geworden. Sie war Anthropologin, und dieser Beruf führte sie, ebenso wie der Francis Lostwax’, in unwirtliche Außenregionen und lehrte sie, die dunklen Aspekte der Natur mühelos zu bewältigen. In nur einem Jahr hatte Kappie drei wissenschaftliche Abhandlungen, zwei Bücher und Die blutsverwandte Bestie veröffentlicht, ein Werk, das sie bereits zu bereuen begann.
    Und was Francis anging – so hatte er es während der zweiten Hälfte der Reise geschafft, ein pornographisches Faible für Kappie zu entwickeln.
    Innerhalb einer Stunde bereitete Burne ein fotografisches Projekt vor, baute Dutzende von Transmitter-Kameras auf, die vor ihrem Zusammenbruch noch massenhafte visuelle Beweise für vegetative und animalische Wanderungen liefern würden (O Gott, laß die Biester wenigstens genießbar sein!). Doch der große Knalleffekt folgte erst, als Luther die ersten Spektro-Abzüge auswertete und eine spärliche, aber zweifellos existente Ablagerung von Polluzit entdeckte, einem cäsiumhaltigen Mineral (Cäsium!). Francis fühlte, wie sich seine inneren Verkrampfungen zu lockern begannen.
    Sensorensonden, die aus den Seitenwänden der Darwin sprangen, von einem blitzschnellen Relais bewegt, brachten weitere Informationen zurück, die auf einen barmherzigen Planeten hoffen ließen. Carlottas Temperaturen, der Luftdruck, die Radiationsgrade und das Wasservorkommen erwiesen sich als äußerst günstig, was die Überlebenschancen der Menschenrasse erhöhte. Die Bakterien existierten in reicher Vielfalt und waren nicht geneigt, pathogene Beziehungen mit höheren Organismen einzugehen.
    Ein paar Minuten nachdem die Darwin ihre dritte Kreisbahn um Carlotta begonnen hatte, beobachteten die Wissenschaftler, wie ein Loch in der Wolkendecke entstand, das etwa tausend Kilometer im Durchmesser maß. Die Landschaft darunter war ein Patchwork aus Eis, Schnee und gefrorenem Erdreich und sah erfreulich stabil aus. Smaragdgrüne Sonnenstrahlen brachen im Westen hervor, erleuchteten das Loch und erloschen wieder. Da unten war der Morgen heraufgedämmert.
    Burne hastete zu den Kontrollschaltern der Chemieschubkraft. Über seinem Kopf glühten ein Dutzend Radaranlagen, die ihm ein flaches, offenes Terrain zeigten – der Traum eines jeden Piloten. »Marsch, ab in eure Kabinen, Kumpels!« rief er. »Jetzt wollen wir mal eine kleine Besichtigungstour machen!«
     
    Als Francis durch den Röhrenschacht stolperte, trieb ihm der Gedanke, auf Carlotta zu stranden, Tränen in die Augen – heiße Tränen, die nur ein wenig von der Erkenntnis abgekühlt wurden, daß er in seiner Heimat niemals das wahre Glück kennengelernt hatte.
    Francis’ Ahnen waren wie die Ahnen aller anderen Leute mit der großen Raumarche
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