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Der weibliche Weg Gottes

Der weibliche Weg Gottes

Titel: Der weibliche Weg Gottes
Autoren: Karin Gerland
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Aufgaben, hält er innerhalb einer relativ kurzen Zeit bereit. Das werde ich mit jedem Tag intensiver erfahren. Jeder Tag hält ein Geschenk für mich bereit. Zum einen ist der Camino wie eine riesige postnatale Plazenta für Erwachsene. Es ist für alles gesorgt, was das Leben außerhalb des Caminos so beschwerlich zu machen scheint. Irgendwo gibt es immer zu essen und zu trinken, dazu einen Schlafplatz. Ich bin nicht einsam und kann doch jederzeit allein sein. Handy und Internet-Café ermöglichen den Kontakt mit zu Hause. Der Weg ist gut markiert und sicher, auch für Frauen, die allein unterwegs sind.
    Zum anderen habe ich mir vorher überlegt, unter welchen Bedingungen mein Geld reicht. Es gibt einen Anfang und ein Ende meines Weges. Über die Zeit, die zur Verfügung steht, besteht mehr oder weniger Klarheit. Mein Haus auf dem Rücken beinhaltet alles, was ich für mindestens zwei Monate zum Leben brauche. Die Ressourcen sind ausreichend, die Rahmenbedingungen förderlich. Es ist also für alles gesorgt. Wie im Paradies. Aber nur fast, denn die Menschen im Paradies brauchten sich nicht anzustrengen. Das war erst nach dem Sündenfall. Vorher nicht, da konnten sie sich überall bedienen, alles stand zu ihrer Verfügung.
    Aber ich meine, irgendwann ist so ein Garten Eden ja mal erkundet, der Kontakt zu allen Tieren hergestellt, alles begutachtet. Ich frage mich oft, warum dieses biblische Paradies für viele Menschen so erstrebenswert ist. Weil alles da ist? Weil kein Leid geschieht? Weil ewiges Glück und Vollkommenheit herrschen? Weil wir im Zustand ewiger Liebe sind? All das halte ich auch für erstrebenswert, all das ist paradiesisch. Aber was ist mit der Lust an der Bewegung, an Herausforderung, Anstrengung, Disziplin? Was ist mit Entwicklung und Wachstum, die ja auch in Zeiten angestoßen werden, wenn der Frust am größten ist?
    Wie kann man das Schöne genießen, ohne das Gegenteil zu kennen? Keine Münze hat nur eine Seite, aber zusammen sind sie ein Ganzes.
    Die Geschichte von Adam und Eva soll ca. 4-500 Jahre v. Ch. von Priestern geschrieben worden sein. Diese bildhafte Erzählung war für die damalige Zeit die Erklärung, warum die Welt so ist, wie sie sich darstellt, mit all ihren Widersprüchen. Warum gab es einerseits eine gütige Gottheit und andererseits Elend und Leid auf der Welt? Warum waren die Frauen so unbegreiflich in ihrem Verhalten und hatten solche Schmerzen bei der Geburt? Warum legten die Männer so viel Anstrengung in ihr Tun und wurden so verunsichert durch die Tränen einer Frau? Das konnte nur etwas mit einer Schuld zu tun haben, die die Menschen auf sich geladen hatten, denn Gott ist gerecht: So entstand die Geschichte vom Sündenfall und dem hinlänglich mit Zorn belegten Schuld-und-Sühne-Konzept, mit den bekannten Folgen. Aus dem Erklärungsmodell wurde über die Zeit eine Handlungsanweisung. Für die Frau sollte der Mann ihr Herr sein, nach ihm sollte sie verlangen, ausrichten daran, ihm zu gefallen.
    Der Mann sollte unter Mühen seinen Acker bestellen, im Schweiße seines Angesichtes. Leistung, die von ihm erbracht wurde, sollte durch Mühe und Kampf erkauft werden. Damit bekamen die Männer von Gott Leistungsorientierung — und dazu Macht und Vorherrschaft durch das Trachten der Frau quasi als Geschenk. Denn Macht besteht nicht aus sich heraus, Macht kann nur genommen werden, wenn sie gleichzeitig gegeben wird. Das zeigen uns andere Kulturen, in denen Frauen eine andere Rolle haben.
    Wenn ich mich also hier so freudvoll anstrenge, lebe ich meine männlichen Anteile aus. Denn das hat die Entwicklung der letzten Jahrzehnte gezeigt, die Geschlechtertypologie lässt sich nicht mehr so einfach vollziehen. Menschen haben beide Anteile. Das macht das Miteinander aber auch nicht unkomplizierter. Das Paradies auf diesem Weg besteht also in den Rahmenbedingungen, die immer und jederzeit verfügbar sind. Der Leistungsaspekt, den ich gerade in den ersten Tagen besonders auslebe, wäre, in der Symbolsprache der Bibel, eine Folge des Sündenfalls.
    Und wenn ich nicht an das ewige Leben glaube, nicht an Himmel und Hölle? Wenn ich es mit dem Engel Aloysius halte, dem Bayern im Himmel, der das tägliche himmlische Frohlocken lieber gegen ein irdisches Weißbier eintauschen wollte? Dann ist das Paradies gerade hier, weil es kein anderes gibt. Auch wenn ich daran glaube, dass dies nicht mein erstes Leben auf dieser Erde ist, gibt es keine reale Erinnerung an etwas anderes — nur den
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