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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Höhlenarm verengte und ein Mensch sich rechts und links an den glatten Wänden anstemmen konnte. Ja, das war eine Möglichkeit.
    The Red schlug Feuer und betrachtete im Lichte eines glimmenden Spans die Umgebung. Der zuletzt von ihm erwogene Plan erschien ihm auch bei Licht ausführbar. Bei Licht war er am ehesten ausführbar. Daher benutzte der Mann den verglimmenden Span, um einen größeren, mit Teer beschmierten anzuzünden, den er sich ebenfalls mitgebracht hatte. Er legte diesen an den Felsrand des seichten Bachbettes, das den Hauptgang der Höhle kreuzte, und betrachtete dabei seine Umgebung auch auf mögliche Spuren hin, die der zahnlose Ben oder andere Menschen, die schon hier gewesen sein mochten, zum Beispiel Indianer, verursacht haben konnten. Aber er entdeckte nichts dergleichen. Der Zahnlose hatte an dieser Stelle entweder kein Feuer gemacht oder keinerlei Reste davon herumliegen lassen.
    Erstaunlich schien dem Mann bei Licht, daß das Wasser einen Mann über den Hauptgang der Höhle weg in die Tiefe gerissen hatte. Selbst wenn der herabstürzende Bach einen packte, mußte er sich doch hier noch halten können, wenn einer kein zappelndes Baby war. The Red wurde bei dieser Berechnung sehr zuversichtlich. Er konnte versuchen, zu dem ansteigenden Seitenarm hinauf zuspringen, ohne damit gleich das Leben zu riskieren. Er legte alles ab, was nicht naß werden sollte: Feuerzeug, Pfeife, Tabak.
    Dann sprang er hoch, und es gelang ihm tatsächlich, sich in dem ansteigenden Höhlenarm mit Knien, Schultern, Händen und Füßen festzuklemmen. Das eiskalte Wasser floß an seinem Körper herab, überspülte ihm den Kopf, drückte gegen seine Schultern. Er hielt sich krampfhaft fest und suchte sich mit gespreizten Knien so an die Wände anzudrücken, daß er mit einer Hand den Fels würde loslassen können, ohne abzurutschen. Er mußte sich beeilen, denn lange vermochte er in seiner jetzigen Lage nicht auszuhalten. So … los … nun mochte es gelingen.
    The Red machte die rechte Hand und den rechten Ellenbogen frei und suchte. Aber die Gewalt des Wassers war groß, und die Finger wurden ihm in der Eiseskälte der unterirdischen Quelle schon steif. Er konnte nicht lange untersuchen, er mußte sich auch mit dem rechten Arm wieder einstemmen, um nicht allen Halt zu verlieren. Da, nun war es doch geschehen.
    The Red war mit dem linken Knie ein wenig gerutscht, nur um zwei Zentimeter. Aber das hatte schon genügt, um ihn ganz aus dem Halt zu drängen. Er konnte dem Wasser nicht mehr widerstehen; es drückte ihn aus dem Seitenarm der Höhle hinaus. Er stürzte in den Hauptgang der Höhle, rücklings, prallte auf den Fels und griff um sich, um neuen Halt zu finden.
    Das war nicht schwer. Seine Hände faßten den Felsen, und triefend naß erhob er sich, um aus dem seichten Bachbett im Hauptgang der Höhle tastend hinauszukriechen auf trockenen Boden.
    Dummes Zeug! Dreckhöhle, verdammte! Der teerbeschmierte Kienspan war erloschen. Aber The Red hatte sich nicht verletzt, nichts gebrochen, den Schädel nicht angeschlagen. Er war ganz bei Sinnen. Ein wenig fror er, und der Rücken tat ihm vom Aufprall weh, aber damit beschäftigte sich sein Bewußtsein kaum. Er wollte den Versuch wiederholen. Zunächst gönnte er sich ein Pfeifchen, um wieder ganz zur Ruhe zu kommen. Er überlegte, ob er noch einen Span riskieren solle, kam davon aber ab, da er sich jetzt auch im Dunkeln zurechtzufinden dachte. Ein zweitesmal stellte er sich an den verhältnismäßig günstigen Platz, von dem aus er auch das erstemal den Sprung gewagt hatte. Wieder schnellte er sich empor, kam sogar um eine Handbreit höher als das erstemal und klemmte sich wieder fest. Diesmal zögerte er nicht, sofort weiterzutasten. Seine gespreizten Knie hielten ihn fest; er legte alle seine wilde Kraft hinein. Den Atem anhaltend, schob er sich, vom Wasser vollständig überspült, ein Stückchen höher und noch ein kleines Stück. Ein Toben der Freude erfüllte ihn. Er kam weiter!
    Der Seitenarm der Höhle verengte sich, wurde aber flacher. Der Mann gewann ohne Schwierigkeit, in schnellem Tempo, einen ganzen Meter. Er mußte haushalten mit der Luft, die er vorher tief eingeatmet hatte, denn das Wasser füllte hier den engen Höhlengang aus; der Mann konnte nicht atmen.
    Der Seitenarm der Höhle wurde wieder steiler. Fast senkrecht ging es hinauf, und das Wasser hatte dadurch doppelte Gewalt. Mit verzweifelter Anstrengung versuchte The Red, sich dieser Gewalt entgegen
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