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Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten
Autoren: Jordan Weisman
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ihr etwas Wasser, das zu ihrer Erholung beitrug und ihr wieder ein bißchen Farbe in die Wangen brachte. Während der Manager ihr was zu essen besorgte, ging ich nach hinten und wusch mir das Blut vom Gesicht. Als ich zurückkam, sah Nadia schon besser aus, aber ich erkannte trotzdem, daß ihre Hexereien sie wirklich erschöpft hatten.
    Was die Frage der Beförderung anging, verwickelte mich der Manager in ernste Verhandlungen. Schließlich mußte ich ihm versprechen, Jimmy ›Spike‹ Mackelroy vom Baseballteam der Seattle Seadogs zu einer Autogrammstunde in seinen Laden zu holen. Als Gegenleistung staubte ich ein Hemd, eine Mütze und einen Lieferwagen von Dominion ab.
    Ich setzte mir die rote Knollennase von Domo dem Clown auf, tastete den Zündcode ein, und Nadia und ich fuhren hinaus in die Nacht. Mit Pizzas in den Warmhalteöfen hinten und einem fröhlichen »Mensch, toll!« schafften wir die versprochene Auslieferung in dreißig Minuten oder weniger.
    Die LoneStars an den Straßensperren hielten Nadia für meine Aufseherin und winkten uns durch.

    ‐V‐

    Während der ganzen Fahrt zum Howell‐Estate überlegte ich mir, daß die Clownsnase und das rotblaue Pizza-Lieferantenhemd an unserem Bestimmungsort einen wahrlich seltsamen Eindruck machen mußten. Daß das nicht der Fall war, linderte dann die entsetzliche Angst, in den Augen der mir gesellschaftlich Übergeordneten einen groben Faux Pas  zu begehen.
    Gleichzeitig war ich sozusagen stolz darauf, keine SIN zu haben.
    Eine zwei Meter hohe Mauer, deren Krone mit Glassplittern gespickt war, umgab vier Hektar perfekt gepflegter Rasenflächen, die sich über sanft geschwungene Hügel erstreckten. Unmittelbar links vom zerstörten Tor, jenseits der Stelle,
    wo
    Stealth
    und
    die
    Redwings
    mit
    dem
    Halbkettenfahrzeug warteten, erhob sich das Howell‐Herrenhaus, ein Protzbau erster Güte. Dieser Nachbau von Schloß Neuschwanstein war ein gelbes Backsteinhaus mit Türmen und Türmchen,
    die
    aus
    jedem
    Flügel
    und
    jedem
    Winkel
    herauswucherten. Vor den dunklen Waldstücken im Hintergrund hätte das Bauwerk tatsächlich das gewünschte mittelalterliche Flair verbreiten können, aber die Satellitenschüssel auf dem Dach verdarb diesen Eindruck.
    Ich schaltete die Scheinwerfer des Lieferwagens aus, denn die hohen Stadionlampen rechts von uns machten sie überflüssig. Ein gutes Dutzend Lampensysteme vertrieben die Nacht über einer Fläche, die mühelos an das Spielfeld der Seadogs heranreichte. Sie waren derart wirkungsvoll, daß viele der dort herumspazierenden Frauen Sonnenschirme und die meisten Männer Sonnenbrillen trugen.

    Auf dem Rasen waren ein halbes Dutzend Krocketfelder abgeteilt, wo zig Leute in blendendweißer Kleidung hinter bunten Holzbällen herjagten. Höflicher Applaus wurde solchen Schüssen gespendet, die geschickt ihren Weg durch eines oder mehrere Tore fanden. Das Lied ›Poison, poison‹
    stieg von den Zuschauern rings um einen dieser Plätze auf, als der Meister jenes Universums und sein grüner Ball auf die Pirsch gingen. Gesellschaftlich korrekte Lügen spendeten jenen Trost, die verloren.
    Inmitten der Zuschauer häufen erblickte ich herumtollende Clowns, Feuerschlucker, die Flammenstöße in die Luft bliesen, sowie einen Bärenführer mit seinem Tier.
    Diener, die förmliche weiße Kleidung trugen, im Gegensatz zu den lässigen Pullovern und Hosen ihrer Arbeitgeber, zogen mit Silbertabletts voller Champagnergläser ihre Runden. An strategisch wichtigen Orten waren weiße Zelte errichtet worden. Dort gab es Dinge, die auf mich wie Berge von Erdbeeren und silbernes Fondue‐Geschirr voller dampfender Schokolade wirkten.
    Ich warf einen Blick auf Nadia. »Willkommen in der Welt der Superreichen. Stell deine Uhr einhundertvierzig Jahre zurück.«
    Ihr schauderte. »Es scheint, als würde die Welt außerhalb der Mauern für diese Leute nicht existieren.«
    »Sie schaffen sich ihre eigene Wirklichkeit«, knurrte ich. Da das helle Licht der Krocket‐Arena Leute stören konnte, die im Herrenhaus einem normalen Tagesablauf folgten, hingen gewaltige Vorhänge aus schwarzem Samt von Stahltürmen herunter. Sie waren größer als alle Segel, die jemals auf Schiffen entfaltet worden waren, und hüllten das Haus in die zeitlich passenden Schatten der Mitternacht. »Sie stellen Lampen auf, und machen die Nacht zum Tag, und dann verdunkeln sie alles wieder mit Vorhängen. Unglaublich!«
    Etwa 500 Meter hinter dem Herrenhaus erblickte ich auf
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