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Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten
Autoren: Jordan Weisman
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Hand hätte heben sollen, um das Blut aufzuhalten.
    Ich tat es nicht.
    Ich hatte Angst davor, was die Hand vielleicht entdeckte, wenn ich es tat.
    Als ich dann den Weg zurückblickte, den ich gekommen war, sah ich sie. Sie näherte sich als goldener Umriß mit einem weißglühenden Kern. Sie hielt Hände und Arme auf Schulterhöhe ausgebreitet, als wäre sie gekreuzigt, aber ich spürte keinerlei Schwäche in ihr. Der goldene Nimbus um sie herum pulsierte voller Kraft. Zungen magischen Plasmas schossen hervor wie Sonneneruptionen.
    Langsam und gemessen schritt sie die Straße entlang wie eine Göttin durch die Reihen ihrer Anbeter. Die Benzintanks der geparkten Autos explodierten in ihrem Gefolge. Die leichteren Wagen hüpften in die Luft und machten Kunststücke. Die schwereren rülpsten schwarzen Qualm hervor und wälzten sich im eigenen gelben Feuerschein. Die Kanonade kündete vom glorreichen Voranschreiten der Göttin und trieb Halloweener vor sich her wie ein Sturm die Blätter.
    Da tauchte eine große, schlanke Silhouette zu meinen Füßen auf. Ich hörte eine Stimme etwas sagen, aber die wütenden Worte bedeuteten mir nichts. Trotzdem drangen die Verachtung und der Haß, die darin zum Ausdruck kamen, in Schattierungen aus Schwarz und brennendem Rot zu mir durch. Der rechte Arm der Silhouette erbebte, und drei silberne Klingen kamen aus der Faust zum Vorschein. Er hob den Arm, und das Mondlicht schimmerte auf den sorgfältig geschliffenen Schneiden.
    Er lachte laut, und ich wußte, daß er mich töten wollte.
    Die Lichtgöttin klatschte einmal in die Hände. Ich spürte, wie im Nachhall dieses Geräusches Magie über mich hinwegspülte, mich aber unberührt ließ. Der schädelgesichtige Mann, der über mir stand, fuhr hoch wie von einer unsichtbaren Leine zurückgerissen. Dann kippte er nach vorn und fiel mit der Nase auf die Straße. Ringsrum hörte ich das Klagen und die Schreie anderer, die von der Magie berührt wurden. Ich sah, wie sie davonkrochen und künstliche Arme und Beine wie nutzlose Metallstücke an sich drückten. Andere stolperten blind umher, weil ihre mechanischen Wunderaugen nicht mehr funktionierten.
    Die Göttin senkte die Arme an die Seiten, so daß sie mit dem goldenen Umriß verschmolzen. Ihr Gesicht konnte ich nicht erkennen, aber ich erkannte die Art wieder, wie sie sich bewegte. Ich kannte sie, aber nicht annähernd gut genug, um meine Angst zu vertreiben.

    Hinter ihr sah ich ihre Schritte im Asphalt brennen und so ihr Vorrücken markieren.
    Mehr Halloweener richteten ihre Waffen auf sie. Kugeln explodierten und verdampften, wo sie in den leuchtenden Halo einschlugen. Ich sah goldene Energielanzen daraus hervorschießen und die Waffen berühren, so daß die Magazine darin hochgingen. Wo das ätherische Plasma Personen berührte, zerfloß ihr Fleisch wie Wasser und verbrannten die Knochen wie trockene Zweige. Ich lauschte den verstümmelten Schreien und verspürte ihr Entsetzen im eigenen Herzen.
    Als die Göttin näher kam, spürte ich ihre Wärme, aber ich verbrannte nicht daran. Sie umspülte mich und akzeptierte mich als Freund und Verbündeten, während gleichzeitig mein ungeminderter Schrecken forderte, ich sollte fliehen. Ein Teil von mir wußte, ich würde innerhalb eines Augenblicks in Flammen aufgehen, und ein anderer fürchtete, daß mir diese Erleichterung nicht gewährt werden würde. Mit dem linken Auge hielt ich Ausschau nach Anzeichen, daß die Frau meine Retterin war, aber als sie neben mir niederkniete, wurde ihr konzentriertes Leuchten zuviel für mich, und ich ergab mich der Schwärze.
    Ich ergab mich dem verführerischen Vergessen, das im Tod liegt.
    In weiter Ferne und inmitten der Leere sah ich ein silberhelles Licht brennen, und ich sehnte mich danach, in seinen Frieden einzugehen. Als ich darauf zuzugehen versuchte, spürte ich einen Schmerz in der rechten Hand. Ich blickte hinab und sah einen großen Wolf, der noch dunkler war als die Leere. Seine Zähne gruben sich in mein Handgelenk. Die Muskeln an seinen Schultern und Hinterläufen traten hervor, und dann zerrte er mich langsam rückwärts, und das silberne Licht verblaßte wieder.
    Ich spürte, wie sich Wärme auf meiner Stirn ausbreitete. Sie gewann an Intensität und Umfang, bis ich mir eine Gewitterwolke vorstellte, die sich dort bildete. Dann konzentrierte sie ihre Energie zu einem einzelnen, schweren Blitzschlag, der durch mich schoß und meinen Körper bis zum Bersten mit magischer Energie auflud.
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