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Der Weg des Unsterblichen

Der Weg des Unsterblichen

Titel: Der Weg des Unsterblichen
Autoren: Anne Lueck
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nicht viel Zeit blieb. Das Gift würde sich schnell über seine Blutbahnen im ganzen Körper verteilen und ihn töten. Niemand konnte ihm mehr helfen, und selbst wenn ich es gekonnt hätte, hätten sich meine Hände in diesem Moment nicht bewegt, um ihn zu retten.
    »Du…«, hauchte er erneut, und ich musste noch näher an sein Gesicht rutschen, um ihn zu verstehen. »Schließlich hast auch du meine Kaltblütigkeit geerbt. Du bist eben doch der Erbe meines Blutes.« Er lachte leise, was in ein klägliches Röcheln überging.
    »Es war das letzte Mal, dass ich mich von deinem Blut hab leiten lassen, glaub mir.«, flüsterte ich ihm zu. »Ich werde nicht zulassen,dass alles so bleibt, wie du es zurückzulassen gedenkst.«
    »Ganz wie du willst. Dann beweise der Welt, dass deine Art und Weise besser funktioniert, als die meine.« Er packte meinen Arm und zog mich mit mehr Kraft an sich heran, als ich ihm in seinem sterbenden Zustand zugetraut hätte. »Hiermit und in aller Feierlichkeit ernenne ich dich zu meinem Nachfolger. Ab jetzt wirst du meinen Platz einnehmen an der Spitze des Magistrats, und du weißt, dass das ein Posten ist, den du nicht ablehnen kannst. Ich schwöre, dass ich dir vom Jenseits aus beim Scheitern deiner kläglichen Ideale zusehen werde, mein Sohn.«
    Noch einmal hustete er auf, bevor sein Körper erschlaffte und sein Kopf reglos zur Seite kippte.
    Entsetzt sah ich auf den toten Mann hinab, versuchte zu begreifen, was er mit seinen letzten Worten gesagt hatte, dann sah ich auf.
    Noé hatte die Hände vor den Mund geschlagen und blickte entsetzt erst auf die Leiche am Boden und dann mich an. Ezekeel hatte die Augen aufgerissen, und sein Mund bewegte sich wie der eines Fisches auf und zu.Einzig Caims Mund war von einem Lächeln umspielt, und ich fragte mich etwa eine Sekunde lang, was ihn so amüsierte.
    Sofort erhob ich wieder meine schwarz glänzende Waffe und richtete sie auf Ezekeel. »Lass sie sofort los.«
    Der Mann tat, wie ihm geheißen, trat sogar noch einen Schritt von Noé weg. Sofort huschte diese durch den Raum und platzierte sich wieder hinter mir.
    »Mein Vater ist tot.«, verkündete ich, auch wenn meine Stimme dabei zitterte. Ich musste es aussprechen, um es realisieren zu können. Hatte ich das wirklich getan? Was war das für ein Gefühl, das jetzt meinen Körper durchströmte? Angst? Reue? Nein. Ich lächelte, als ich die aufsteigende Erleichterung als solche erkannte. Es war vorbei, ich konnte mein Versprechen gegenüber Azriel halten. »Und ihr habt gehört, welches Erbe er mir vermacht hat, mit seinem letzten, grausigen Atemzug. Ihr wisst, was ich jetzt bin. Hat irgendwer Einwände?«
    Ezekeel schüttelte schnell und voller Angst den Kopf, wahrscheinlich weil auch er um seinLeben fürchtete. Caim hingegen lachte. »Der Weg, den dein Vater vor langer Zeit eingeschlagen hat, entsprach schon lange nicht mehr meinen Idealen. Es war Zeit, dass ein wenig … frischer Wind durch den Magistrat weht.«
    Ezekeel gab einen erschütterten Laut von sich, traute sich aber nicht, etwas zu entgegen. Ich verengte die Augen zu Schlitzen. »Warum warst du nicht derjenige, der ihn aufhielt, der ihn tötete?«
    »Um dann das Amt des Vorsitzenden zu übernehmen? Bist du verrückt?« Caim lächelte kühl. »Das ist mir viel zu viel Arbeit und Verantwortung, ich bin eher die treibende Kraft im Hintergrund.«
    Ich hob eine Augenbraue, ließ aber dann die Waffe sinken und wandte mich wieder an Ezekeel: »Du bist deines Amtes enthoben, dafür dass du es gewagt hast, Noé anzufassen. Außerdem traue ich dir auch kein Stück über den Weg, also geh mir aus den Augen und mach dich auf den Weg in den Gefängnistrakt. Befreie die menschlichen Insassen und geleite sie sicher inihre Welt zurück. Und tu dir keinen Zwang an, den anderen Unsterblichen zu berichten, was hier geschehen ist, und was das für ihre Zukunft bedeutet.«
    Wieder nickte er ängstlich und stürmte aus dem Raum.
    Caim kicherte leise. »Diese neue Art der Herrschaft schaue ich mir zu gern an, das könnte interessant werden. Natürlich nur, wenn du mir mehr vertraust, als ihm.«
    Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Das entscheide ich noch. Unter diesem Vorbehalt kannst du dein Amt erst einmal behalten.« Ob ich ihm wirklich vertrauen konnte, wusste ich nicht, aber solange er sich amüsierte, würde er mich in Ruhe lassen. Und möglicherweise brauchte ich seine Hilfe. Erst nach und nach wurde mir bewusst, dass ich plötzlich und völlig
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