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Der Wandermoerder

Der Wandermoerder

Titel: Der Wandermoerder
Autoren: Douglas Starr
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weltberühmten Ollier-Klinik in Lyon um Hilfe. Dr. Gabriel Mondan untersuchte das Bein und die Fußknochen sorgfältig, notierte sich Unregelmäßigkeiten, behandelte sie mit Chemikalien, um Fleischreste zu entfernen, und trocknete und wog sie. Er stellte fest, dass die Knochen des rechten Fußes und Beines etwas weniger wogen als die des linken, sowohl einzeln als auch insgesamt. Er bestätigte, was Lacassagne an der Kniescheibe bemerkt hatte, und wies ebenfalls auf die leichte Schrumpfung des oberen Teils des rechten Beines hin. Er notierte, dass die rechte Ferse und der rechte Knöchel »leicht verkrüppelt« seien. Dann legte er beide Knochenreihen auf einen Tisch. Die Knochen des linken Fußes waren normal, und der Knöchel saß stabil auf der Ferse. Der Knöchel des rechten Fußes fiel aber immer wieder ab.
    Inzwischen hatten Gorons Männer in Paris Informationen über Gouffé gesammelt. Sie befragten seinen Vater, der sich daran erinnerte, dass sein Sohn als Kleinkind von einem Steinhaufen gefallen war und sich dabei den Knöchel gebrochen hatte. Der Bruch war nie richtig verheilt. Seither hatte er das rechte Bein beim Gehen ein wenig nachgezogen. Gouffés Schuster sagte aus, dass er den rechten Schuh des Kunden immer mit einem besonders breiten Fersenteil ausgestattet und sehr weiches Leder verwendet habe, um den empfindlichen Knöchel und die gichtigen Zehen zu schonen. »Seine große Zehe stand beim Gehen nach oben«, sagte er.
    Gouffés Arzt in Paris, ein Dr. Hervieux, bestätigte, dass seinen Patienten jahrelang Beinprobleme geplagt hätten. 1885 hatte Hervieux eine Schwellung am rechten Knie behandelt. Die Beschwerden waren chronisch gewesen, sodass ein anderer Arzt eine Amputation des Beines erwogen hatte. Hervieux verordnete jedoch zwei Monate Bettruhe, und danach war Gouffée an seine Arbeit zurückgekehrt. 1887 konsultierte dieser seinen Arzt wegen schwerer Gicht in der rechten großen Zehe. Auch diese Krankheit war chronisch, und die Schwellung war so stark, dass Gouffé die Zehe nicht beugen konnte. Hervieux schickte ihn daraufhin für sechs Wochen in den Kurort Aix-les-Bains. Aus den Akten der Kurklinik ging hervor, dass Gouffé 1888 einen Rückfall erlitten hatte.
    Jetzt hatte Lacassagne genügend Beweise, um alle seine Zweifel auszuräumen. Das Opfer war 1,73 Meter groß, wog 80 Kilogramm und war etwa 50 Jahre alt. Es hatte kastanienbraunes Haar und bis auf den ersten Mahlzahn oben rechts ein vollständiges Gebiss. Der Mann war Raucher gewesen, wie die geschwärzten Vorderseiten der Schneide- und Eckzähne verrieten. Als Kind hatte er sich den rechten Knöchel gebrochen, und die Verletzung war nie richtig verheilt. Später hatte er mehrere Gichtanfälle durchgemacht. Zudem litt er an arthritischen Entzündungen im rechten Knie. Das alles hatte seinen rechten Unterschenkel geschwächt, was die Abnahme der Knochendichte bewies. Wahrscheinlich hatte das Bein geschmerzt, und darum hatte er vielleicht ein wenig gehinkt. »Jetzt endlich ist eine Identifizierung möglich«, erklärte Lacassagne. »Die in Millery gefundene Leiche ist die von Monsieur Gouffé.«
    Sobald die Leiche identifiziert war, wurde der ganze Fall schnell gelöst. Goron ließ eine Kopie des Koffers anfertigen und stellte diese in der Pariser Leichenhalle aus. Der Erfolg war sensationell: Innerhalb von drei Tagen zogen 25.000 Menschen an ihr vorbei, und einer davon wusste, dass ein Koffermacher in der Londoner Euston Road solche Koffer herstellte. Goron reiste daraufhin nach London und besorgte sich die Quittung. Diese belegte, dass ein Mann namens Michel Eyraud den Koffer vor ein paar Wochen gekauft hatte. Goron schickte eine Beschreibung von Eyraud und Gabrielle Bompard an alle französischen Behörden zu beiden Seiten des Atlantiks und sandte sogar Agenten nach Nordamerika. Diese folgten dem Paar nach New York, Quebec, Vancouver und San Francisco – kamen jedoch stets einige Tage nach ihnen dort an. Im Mai 1890 erkannte ein Franzose, der in Havanna lebte, Eyraud und verständigte die kubanische Polizei. Seine Freundin Bompard war in Vancouver geblieben, wo sie sich in einen amerikanischen Abenteurer verliebt hatte, der sie überreden konnte, sich zu stellen.
    Nachdem beide Verdächtigen verhaftet worden waren, kam die ganze bizarre Geschichte ans Licht. Bompard und Eyraud hatten erfahren, dass Gouffé reich war und zu erotischen Abenteuern neigte. Außerdem wussten sie, dass er den Freitagabend meist im »Café Gutenberg«
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