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Der Wald: Roman

Der Wald: Roman

Titel: Der Wald: Roman
Autoren: Richard Laymon
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einzuschalten. Aber es lohnte sich nicht, ihn danach zu fragen. Falls er es vergessen hatte, war es sowieso zu spät.
    Ihre Gedanken schweiften zu ihrer letzten Begegnung mit Scott O’Toole. Sie hatten ihn besucht, um gemeinsam zu Abend zu essen und Bridge zu spielen. Scott hatte ihr Komplimente für ihre Dauerwelle gemacht. Das war jetzt fast zwei Jahre her. Wie konnte June einen Mann wie ihn verlassen? Es musste mehr dahinterstecken, als man auf den ersten Blick sehen konnte. Vielleicht hatte er noch etwas nebenbei laufen. Gelegenheit dazu hatte er sicher genug, schließlich war er die halbe Zeit unterwegs. Und diese Stewardessen. Es wusste schließlich jeder, wie die waren. June war alles andere als eine Niete, aber Scott war für einsame Flugbegleiterinnen ein echter Hauptgewinn. Da gab es eine Menge Versuchungen. Ein Mann musste stark sein, um dem zu widerstehen.
    Zum Glück hatte Arnold aufgehört zu fliegen. Manchmal musste er nachts arbeiten, wenn ihm die Schicht zugeteilt wurde, aber zumindest kam er nach Hause und war nicht allein in irgendwelchen Hotels überall im Land unterwegs. Es wäre zwar schön für ihn, wenn er das Ansehen und Gehalt eines Piloten hätte, aber ihr war es lieber so. Sie kamen, Gott sei Dank, gut über die Runden, und sie musste sich nicht ständig Gedanken machen.
    Die arme June musste ganz krank vor Sorge gewesen sein, ob er sie nicht wegen einer Stewardess sitzen lassen würde oder nebenbei eine Affäre hatte. Wie hieß dieser Typ nochmal? Jack? Nein, Jake – Jake Peterson. Der hatte eine komplette zweite Familie in Pittsburgh. Musste ein ziemlicher Schock gewesen sein für seine Frau – für beide Frauen. Er war nicht mal Mormone, dann wäre es zwar auch nicht richtig, aber … Alice verlor den Faden, als der Schlaf sie übermannte.
    Die Straße, die den Berg hinaufführte, war einmal gepflastert gewesen, aber der Schnee im Winter, das Schmelzwasser im Frühjahr und die Sommersonne hatten den Asphalt aufgebrochen und ein staubiges Trümmerfeld hinterlassen. Der Wagen rumpelte über Spurrillen und Schlaglöcher, während Scott den Hang hinaufsteuerte.
    Vor ihnen, in einer Kurve, tauchte ein Volkswagen auf.
    »Was nun?«, fragte Karen.
    »Der ist schmal.« Scott lenkte das Auto nach rechts, bis Zweige über die Seite kratzten. Er hielt an.
    »Hoffentlich ist er vorsichtig«, sagte Karen. Sie klammerte sich an die Armlehne.
    »Wenn nicht«, meinte Scott, »dann hat er ein paar Sekunden äußerst aufregenden Flugs vor sich.«
    Das Mädchen auf dem Beifahrersitz des VW streckte ihren Kopf aus dem Fenster. Sie blickte nach unten und dachte offensichtlich über genau diesen Flug nach. Scott konnte sich vorstellen, dass der steile Abhang aus ihrer Perspektive schier endlos wirken musste. Nach einem Augenblick zog sie den Kopf in den Wagen und sagte etwas zum Fahrer.
    Der VW kroch näher heran. Der bärtige junge Mann hinter dem Steuer grinste Scott an, während er sich Zentimeter für Zentimeter vorbeischob. »Herrlicher Tag«, sagte er.
    »Ja«, stimmte Scott zu. »Wie weit ist es noch bis Black Butte?«
    »Eine Stunde.«
    »Wird die Straße weiter oben besser?«
    »Nein. Und ich sag Ihnen was, ungefähr einen Kilometer hinter mir kommt Ihnen ein Wohnmobil entgegen.«
    »Danke für die Warnung.«
    »Gute Fahrt, Kumpel.«
    »Ebenfalls.«
    Der VW war an ihnen vorbei, zog zurück in die Mitte der engen Straße und raste in einer Staubwolke davon.
    »Ein Wohnmobil?«, fragte Karen. Sie war blass.
    »Was sollen wir machen?«, fragte Julie vom Rücksitz.
    »Ich glaub, wir sollten versuchen, eine breitere Stelle zu finden, ehe es auftaucht.«
    »Kein Problem, oder, Dad?«, fragte Benny.
    »Kein Problem«, antwortete er und fuhr langsam los. Er suchte nach einer Stelle, an der er ausweichen konnte. Vor ihm zog sich die Straße in einer Haarnadelkurve den Berg hinauf. Er nahm die Kurve. Jetzt befanden sie sich auf der Außenseite, rechts neben ihnen brach der Hang steil ab. »Vielleicht doch ein kleines Problem«, musste Scott zugeben. Er fuhr schneller. Der Wagen ruckte und klapperte den Berg hinauf.
    Ich hätte auf Nummer sicher gehen sollen, dachte er. Ich hätte in der letzten Kurve anhalten sollen. Aber jetzt hatte er keine Wahl mehr. Was er von der Straße vor ihnen erkennen konnte, sah nicht gut aus. Links ragte steil der Berg auf und ließ keinen Raum, um auszuweichen. Rechts war nicht mal ein halber Meter Platz bis zum Abgrund. Selbst wenn er genau an der Kante parken würde, könnte
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