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Der wahre Sohn

Der wahre Sohn

Titel: Der wahre Sohn
Autoren: Olaf Kühl
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Kaffee?»
    «Ja, bitte.»
    «Sind Sie mit Ihrem Hotel zufrieden?»
    «Sehr, danke.»
    «Dann lassen Sie uns gleich zur Sache kommen. Sie haben gewiss auch wenig Zeit. Zwei Dinge habe ich herausgefunden, die für Sie von Interesse sein könnten.»
    «Nämlich?»
    «Erstens – das wissen Sie bereits, aber wir haben es noch mal überprüft–, der gesuchte Wagen ist tatsächlich auf den Namen Jurij Solowjow zugelassen. Die von Ihnen genannte Fahrgestellnummer wurde auch bei der Anmeldung angegeben, dürfte also auch am Fahrzeug selbst nicht manipuliert worden sein. Man hegt demnach keine großen Befürchtungen, dass der Wagen hier kontrolliert werden könnte.»
    Er machte eine Kunstpause.
    «Meine zweite Entdeckung ist eher geeignet, die Suche zu erschweren.»
    Konrad spielte mit: «Nämlich?»
    «Der Fahrzeughalter ist vor drei Monaten gestorben.»
    Also doch.
    «Wenn er gestorben ist, muss ja jemand den Wagen geerbt haben.»
    «Langsam, langsam», lachte Mazepa. «So schnell geht das hier nicht.»
    «Was wissen wir über diesen Jurij Solowoj? Wer war er?»
    «Militär im Ruhestand, Mitglied der KP d SU , bis zum Zerfall der Sowjetunion. Kein wirklich hohes Tier, aber immerhin Bezirkschef oder so was Ähnliches. Veteran des Großen Vaterländischen Krieges. Bei der Demobilisierung im Range eines Obersten. Viel mehr konnte ich nicht in Erfahrung bringen.»
    «Woran ist er gestorben?»
    «Halten Sie das für wichtig? Ich finde keine Hinweise auf einen unnatürlichen Tod. Vermutlich Krebs, oder Herz, Kreislauf, wenn er Glück hatte. Altersschwäche. Mit neunundachtzig.»
    «Aber ist es nicht umso merkwürdiger, dass jemand in dem Alter ein Auto anmeldet und kurz darauf stirbt?»
    «Ein Indiz dafür, dass er nur Strohmann war.»
    «Trotzdem würde ich gern mehr über ihn wissen.»
    Mazepa sah Konrad zum ersten Mal verwundert an. «Wozu? Er ist tot.»
    Konrad mochte es nicht, wenn man seine Methoden in Frage stellte. «Das kann ich Ihnen später erklären. Erst einmal muss ich möglichst viel über ihn in Erfahrung bringen. Alles, was Sie herausbekommen können. Den Totenschein zum Beispiel. Wo ist er bestattet worden? Gab es eine Obduktion? Haben Sie Fotos von ihm?»
    Jurko guckte erstaunt.
    «Vielleicht ist es gar nicht schlecht», beschwichtigte Konrad, «wenn wir auf unterschiedliche Art ermitteln, gewissermaßen von zwei Seiten. Was werden Ihre nächsten Schritte sein?»
    «Da der Halter erst vor kurzem verstorben ist, muss ich klären, auf wen das Eigentum rechtlich übergeht», sagte Mazepa. «Wer in formalem Sinn der Erbe des Fahrzeugs ist. Oder an wen es verkauft wurde. Von diesem Eigentümer können wir es dann zurückfordern. Das dauert eine Weile, sollte der Betreffende aber klagen, zieht sich die Sache hin: gutgläubiger Erwerb und so weiter. In einigen Tagen kann ich Ihnen sagen, ob es nicht sinnvoller ist, dass Sie zunächst nach Berlin zurückfahren.»
    «Gut. Ich habe jedenfalls gestern Abend schon mit der Ehefrau gesprochen.»
    «Ehefrau?»
    «Ja, der Frau von Jurij Solowjow. Beziehungsweise seiner Witwe.»
    Jurko setzte seine Kaffeetasse ab. Zum ersten Mal verriet er eine deutliche Regung, weit mehr als Erstaunen.
    «Ja, wissen Sie, es war so ein schöner lauer Abend. Ich war gerade angekommen und war noch nicht müde, hatte Lust auf einen Spaziergang und bin einfach hingeschlendert, in die Altstadt. Und plötzlich stand ich vor diesem Haus. Ich wollte mir ansehen, wo der Täter wohnt. Und da habe ich eben geklingelt. Die Frau weiß angeblich nichts über den Mercedes. Damit Sie da schon mal Bescheid wissen.»
    «Das meinen Sie nicht im Ernst, oder?», lachte Mazepa.
    «Doch.»
    Das Gesicht des Anwalts verzog sich vor Ärger. «Wenn das stimmt, ist das Auto weg. Das war absolut unprofessionell. Diese Frau hat mit der Sache wahrscheinlich gar nichts zu tun, aber Sie haben dadurch … alle Pferde scheu gemacht. Alle.»
    «Ihren Mann kann sie ja nicht mehr warnen.»
    «Aber die Täter.»
    Konrad sah ihn an und sagte nichts.
    «Das hätten Sie besser mit mir abgesprochen.»
    Er hatte vermutlich recht, aber kindlicher Trotz gestattete es Konrad nicht, das zuzugeben.
    Eine längere Pause entstand.
    «Der Wagen ist seit einigen Tagen nicht mehr gesehen worden», sagte Mazepa, sachlich, nur um das Schweigen zu brechen.
    «Wohl nicht deshalb, weil ich aufgetaucht bin», witzelte Konrad, nicht minder lustlos.
     
    Warten? Mehrere Tage? Ein Scherz. Sollte Konrad sich so lange an den Dnjeprstrand legen und sonnen?
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