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Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens
Autoren: Françoise Sagan
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Auf die Logik hatte ich Gott sei Dank schon
längst verzichtet.
    Lewis schlief rasch ein, gleichzeitig
mit dem Sturm zur Ruhe gekommen, und ich ließ ihn die ganze Nacht an meiner
Schulter liegen, während ich zusah, wie der Himmel hell wurde, die Wolken
verschwanden und schließlich eine hochmütige Sonne über einer verwüsteten Erde
aufging. Es war eine der schönsten Liebesnächte meines Lebens.
     
     
     

SECHZEHNTES KAPITEL
     
    Am nächsten Morgen hatte ich
nichtsdestoweniger einige blaue Flecke am Hals, die sehr häßlich aussahen. Ich
dachte vor dem Spiegel endlich einmal ein wenig nach und hob den Telefonhörer
ab. Ich sagte Paul, daß ich bereit sei, ihn zu heiraten. Er schien vor Freude
außer sich zu sein. Dann teilte ich Lewis mit, daß ich im Begriff sei, Paul zu
heiraten, daß ich sicherlich eine kleine Hochzeitsreise nach Europa machen
würde, und daß er sich in meiner Abwesenheit um das Haus kümmern müsse. Die
Trauung war in zehn Minuten vorüber. Lewis und Candy waren unsere Zeugen.
Danach packte ich meine Koffer, nahm Lewis in die Arme, hielt ihn lange fest
und versprach ihm, bald wiederzukommen. Er versprach mir, sich ordentlich
aufzuführen, gut zu arbeiten und den Rolls jeden Sonntag vom Unkraut zu
befreien. Einige Stunden später saß ich im Flugzeug nach Paris, und als ich
durchs Fenster die silbernen Tragflächen die Kohorten blaugrauer Wolken
zerteilen sah, war mir, als tauchte ich selbst aus einem Alptraum auf. Pauls
harte, warme Hand lag auf der meinen.
    Wir hätten nur einen Monat in Paris
bleiben sollen, aber Jay telegrafierte mir und bat mich, einem unglücklichen
Sklaven, wie ich einer war, zu helfen, der in Italien über einem Drehbuch
schwitze. Paul seinerseits mußte einige Leute in London aufsuchen, wo die RKB
eine weitere Produktionsfirma aufbaute. Sechs Monate lang pendelten wir
ununterbrochen zwischen London, Paris und Rom hin und her. Ich war entzückt.
Ich lernte neue Menschen kennen, traf sehr oft mit meiner Tochter zusammen,
badete in Italien, ging in Paris und London groß aus, kleidete mich von Kopf
bis Fuß neu ein. Das Zusammenleben mit Paul war köstlich, und Europa gefiel mir
wie immer. Von Zeit zu Zeit bekam ich einen Brief von Lewis, der in kindlichem
Tonfall vom Garten, vom Haus und vom Rolls berichtete und sich schüchtern über
unsere Abwesenheit beklagte. Sein erster Film hatte durch Macleys Tod eine
unerwartete Publicity erhalten. Charles Vaught, ein sehr guter Regisseur, war
beauftragt worden, den Film, der stellenweise völlig verpfuscht zu sein schien,
zu überarbeiten, und Lewis war wieder in sein Cowboykostüm geschlüpft. Seine
Rolle war offenbar ein wenig erweitert worden. All das schrieb er in einem eher
klagenden Ton. Ich fiel daher aus allen Wolken, als ich drei Wochen vor unserer
Rückkehr erfuhr, daß der Film wundervoll war und daß der Anfänger Lewis Miles
gute Aussichten auf einen Oskar hatte — so bemerkenswert war seine Darstellung.
    Das war nicht die letzte Überraschung,
die mich erwartete. Als wir in Los Angeles landeten, war Lewis auf dem
Flugplatz. Er warf sich wie ein Kind zuerst mir und dann Paul an den Hals und
begann sich bitter zu beklagen. »Man« quäle ihn unablässig, »man« schlug ihm
ständig Verträge vor, von denen er nichts begriff, »man« hatte sogar ein
riesiges Haus mit Swimmingpool für ihn gemietet, und »man« rief ihn fortwährend
an. Er schien völlig verwirrt und wütend zu sein. Wenn ich nicht an diesem Tag
zurückgekommen wäre, hätte er die Flucht ergriffen. Paul lachte laut, aber ich
fand, daß Lewis tatsächlich schlecht aussah und mager geworden war. Die große
Oscar-Verleihung sollte am folgenden Tag stattfinden.
    Ganz Hollywood war da, herausgeputzt,
maskiert, glanzvoll, und Lewis bekam seinen Oscar. Er stieg zerstreut auf die
Bühne, und ich sah mit philosophischem Gleichmut zu, wie dreitausend Menschen
einem Mörder rasend Beifall klatschten. Man gewöhnt sich an alles. Nach der
Verleihung fand in Lewis’ neuem Haus eine große Abendgesellschaft statt, die
Jay Grant organisiert hatte. Jay, sichtlich stolz auf ihn, zeigte mir alles:
Die Kleiderschränke voll neuer Anzüge für Lewis, die Garagen, in denen neue
Wagen schlummerten, die man Lewis mehr oder weniger geschenkt hatte, die
Appartements, in denen Lewis schlafen, in denen Lewis empfangen sollte. Lewis
ging brummend hinter uns her. Einmal drehte ich mich nach ihm um.
    »Haben Sie Ihre alten Blue jeans schon
ausrangiert?«
    Er schüttelte
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