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Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens
Autoren: Françoise Sagan
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Sie noch eine ganze
Weile nicht viel kosten.«
    Er war schwer betrunken, aber ich bin
nicht so geduldig veranlagt, wie man meinen möchte. Daher nannte ich ihn in
aller Freundschaft einen dreckigen Bastard. Er knurrte, wenn ich keine Frau
wäre, würde er mich schon längst zu Krümeln zerrieben haben, und ich dankte ihm
bissig dafür, daß er sich, wenn auch ein bißchen spät, daran erinnert hatte,
daß ich eine war.
    »Jedenfalls teile ich Ihnen mit, daß
ich mit Paul Brett verlobt bin«, sagte ich scharf.
    »Weiß ich, weiß ich. Alle sagen, daß
ihr es zu dritt macht.«
    Er lachte laut auf, und ich wollte ihm
schon etwas an den Kopf werfen, zum Beispiel meine Handtasche, als im Türrahmen
eine Silhouette auftauchte.
    Es war Lewis, und ich wurde sofort die
Liebenswürdigkeit selbst.
    »Bill, mein Schatz, entschuldigen Sie.
Sie wissen, daß ich Sie gern mag, aber ich bin zur Zeit ein bißchen nervös.«
    Er war trotz seines Zustandes
überrascht, ging aber sofort auf mich ein.
    »Das macht Ihr irisches Blut. Es läßt
sich nicht verleugnen. Sie müssen ja ein Lied davon singen können, was, alter
Junge?«
    Er knuffte Lewis in die Rippen und
ging. Ich lachte nervös.
    »Der gute alte Bill... Nicht gerade
sehr vornehm, aber ein Herz von Gold.«
    Lewis antwortete nicht. Er war als
Cowboy gekleidet, mit einem Tuch um den Hals, schlecht rasiert, zerstreut.
    »Jedenfalls ist er ein guter Freund«,
fügte ich hinzu. »Was ist Ihre letzte Szene?«
    »Der Mord«, sagte Lewis ruhig. »Ich
erschieße den Kerl, der meine Schwester vergewaltigt hat.«
    Wir gingen langsam zum Drehort hinüber.
Lewis verließ mich für zehn Minuten, um sich zurechtzumachen. Ich sah den
andern zu. Obwohl sein technisches Team alles tadellos vorbereitet hatte,
brüllte Bill Beleidigungen. Er war sichtlich nicht mehr Herr seiner selbst.
Hollywood hatte ihn kaputtgemacht, Hollywood und der Alkohol. Die
Cocktailtische waren draußen aufgestellt worden, und einige Durstige bedienten
sich bereits. Wir waren etwa hundert Menschen in diesem falschen Dorf, und die
meisten scharten sich um die Kamera.
    »Großaufnahme Miles!« brüllte Bill. »Wo
steckt er?«
    Lewis schlenderte ruhig auf ihn zu. Er
hatte eine Winchester in der Hand und sah so zerstreut aus wie immer, wenn er
sich langweilte.
    Bill bückte sich, visierte durch die
Kamera, fluchte ausgiebig.
    »Mist, alles Mist...! Legen Sie an,
Lewis, legen Sie an. Zielen Sie auf mich... Ihr Gesicht muß wütend aussehen,
verstehen Sie, wütend... Herrgott noch mal, schaun Sie nicht so dämlich drein...
Sie sollen den Saukerl umlegen, der Ihre Schwester vergewaltigt hat... Ja, so
ist es schon besser... sehr gut so... und jetzt schießen Sie... jetzt...«
    Ich sah Lewis nicht, er wandte mir den
Rücken zu, aber er schoß. Bill griff sich mit beiden Händen an den Leib, Blut
spritzte hervor, und er sackte zusammen. Eine Sekunde standen alle erstarrt,
dann stürzten sie auf ihn zu. Lewis betrachtete dumm die Büchse in seiner Hand.
Ich wandte mich ab und erbrach mich gegen eine falsche Wand, die nach Schimmel
roch.
    Der Polizeileutnant war sehr höflich
und sehr sachlich. Es war augenscheinlich, daß jemand die Platzpatronen durch
scharfe ersetzt hatte, es war augenscheinlich, daß dieser Jemand einer von den
Tausenden war, die Bill Macley haßten, und es war augenscheinlich, daß es nicht
Lewis selbst sein konnte, der ihn kaum kannte und genug Vernunft zu besitzen
schien, um nicht vor hundert Augenzeugen einen Mord zu begehen. Man
bemitleidete ihn beinahe und schrieb sein Schweigen und seinen wilden Blick
einem Nervenschock zu. Es ist nicht gerade erheiternd, zum Werkzeug eines
Mordes gemacht zu werden. Wir verließen das Polizeirevier gegen zehn Uhr abends
zusammen mit einigen anderen Zeugen, und irgend jemand schlug vor, das Glas zu
trinken, das uns entgangen war. Ich lehnte ab, und Lewis kam mit mir. Wir
legten die Fahrt schweigend zurück. Ich war völlig erschöpft und nicht einmal
mehr wütend.
    »Ich hatte alles gehört«, sagte Lewis
am Fuß der Treppe, und ich antwortete nicht. Ich zuckte die Schultern, nahm
drei Schlaftabletten und schlief sofort ein.
     
     
     

VIERZEHNTES KAPITEL
     
    Der Polizeileutnant saß in meinem Salon
und machte ein verdrossenes Gesicht. Im übrigen war er ein schöner Mann mit
grauen Augen und vollen Lippen, ein wenig zu mager vielleicht.
    »Sie verstehen, es ist eine reine Formalität«,
sagte er. »Sie wissen tatsächlich nicht mehr über den jungen Mann?«
    »Nein«,
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