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Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens
Autoren: Françoise Sagan
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Hilfe rufen und sah seine Hand aus dem Wasser
ragen, dann spülte eine hohe Welle über seinen Kopf hinweg. Ich stieß einen
Schrei aus und lief den Pfad hinunter, aber Lewis hatte schon den Bademantel
abgeworfen und war einfach aus acht Meter Höhe ins Wasser gesprungen, ohne sich
um die Felsen unten zu kümmern. Er erreichte Paul und brachte ihn binnen zwei
Minuten an Land. Als Paul das Salzwasser erbrochen hatte, während ich ihm
hilflos auf den Rücken klopfte, hob ich die Augen und sah, daß Lewis splitternackt
war. Gott weiß, wie viele nackte Männer ich in meinem Leben schon gesehen
hatte, aber ich fühlte, wie ich rot wurde. Als Lewis meinen Blick bemerkte,
sprang er auf und lief ins Haus.
    »Na hören Sie, mein Lieber«, sagte Paul
ein wenig später, als er sich aufgewärmt und einen Grog getrunken hatte, »Sie
haben Mut. Dieser Kopfsprung... Ich glaube, ohne Sie wäre ich ertrunken.«
    Lewis brummte verlegen. Ich dachte
leicht belustigt, daß dieser Bursche seine Zeit damit verbrachte, Menschenleben
zu zerstören und zu retten. Seine neue Rolle gefiel mir besser. Ich küßte ihn
impulsiv auf die Wange. Vielleicht gelang es mir noch, einen anständigen jungen
Mann aus ihm zu machen. Es war zwar schon ein wenig spät, wenn man an den armen
Frank, die arme Louella etc. dachte, aber noch bestand Hoffnung. Mein
Optimismus erhielt einen Dämpfer, als ich ihn später, in Abwesenheit Pauls, zu
seiner guten Tat beglückwünschte.
    »Wissen Sie«, sagte er ungerührt, »ob
Paul stirbt oder nicht, das ist mir persönlich ganz egal.«
    Ich war verblüfft. »Warum haben Sie
dann Ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um ihn zu retten?«
    »Weil er Ihnen gefällt, und weil es
Ihnen Kummer gemacht hätte.«
    »Wenn ich Sie recht verstehe, hätten
Sie also Paul ertrinken lassen, ohne einen Finger zu rühren, wenn er nicht mein
Liebhaber wäre?«
    »Richtig«, sagte er.
    Ich fand, er hatte eine merkwürdige
Auffassung von der Liebe. Sie ähnelte jedenfalls in nichts der Liebe, die ich
bisher den Männern eingeflößt und in die sich immer ein gewisser Anspruch auf
Alleinbesitz gemischt hatte. Ich versuchte, mehr zu erfahren.
    »Haben Sie denn in diesen drei Monaten
nie so etwas wie Sympathie oder Zuneigung für Paul empfunden?«
    »Ich liebe nur Sie«, sagte er mit
seiner ernsten Miene, »und ich interessiere mich für niemanden sonst.«
    »Das ist es ja eben«, sagte ich.
»Finden Sie, daß das gesund ist? Ein junger Mann wie Sie, der... äh... den
Frauen sehr gefällt, sollte doch von Zeit zu Zeit... also, ich weiß nicht...
ich...«
    »Wollen Sie, daß ich mich Gloria Nash
in die Arme stürze?«
    »Ihr oder einer andern. Allein aus
gesundheitlichen Gründen halte ich es für besser, wenn ein junger Mann, der...
den...«
    Ich stotterte. Was war in mich
gefahren, daß ich wie eine Mutter mit ihm redete? Er musterte mich ernst.
    »Ich glaube, die Leute machen mit
dieser Sache viel zuviel Theater, Dorothy.«
    »Aber sie ist immerhin einer der großen
Reize des Lebens«, protestierte ich schwach und dachte, daß ich dieser Sache
wohl drei Viertel meiner Zeit und meiner Gedanken gewidmet hatte.
    »Nicht für mich«, sagte Lewis.
    Einen Augenblick lang hatte er wieder
diesen verschleierten Blick, dieses Gesicht eines gefährlichen, kurzsichtigen
Tieres, das mir Angst machte. Ich brach das Gespräch rasch ab. Im übrigen tat
uns dieses lange Wochenende gut. Wir kehrten braungebrannt, entspannt und in
bester Laune zurück.
    Bald zeigte es sich, daß ich diese
Erholung nötig hatte. Drei Tage später wurde Lewis’ Film, sein berühmter
Cowboyfilm, abgedreht, und Bill Macley, der Regisseur, gab eine Stehparty, um
die letzte Einstellung zu feiern. Ort der Handlung war das falsche Dorf aus
hölzernen Fassaden, in dem sich Lewis den ganzen Sommer herumgetrieben hatte.
Ich kam gegen sechs hin, ein wenig vor der Zeit, und fand Bill in dem falschen
Saloon in der falschen Hauptstraße. Er war sichtlich schlechter Laune,
übermüdet und ziemlich grob wie immer. Sein Team baute ein Stück weiter drüben
die Kulissen auf, und er saß allein und mit finsterem Blick an einem Tisch. Er
trank damals sehr viel, und man vertraute ihm nur noch zweitrangige Filme an,
was ihn übernervös machte. Er bemerkte mich, und ich mußte die zwei staubigen
Stufen vor dem Saloon hinaufsteigen.
    »Na, Dorothy?« sagte er und lachte
dröhnend. »Sind Sie gekommen, um Ihrem Gigolo zuzusehen? Er hat heute seine
große Szene. Nur Mut, der Kleine sieht gut aus, und er wird
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