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Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens
Autoren: Françoise Sagan
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Zigarette. Abends nahm ich ihn mit nach Hause, und
dann ließ ich ihn trotz meiner Vorsätze oft allein. Paul wollte mich unbedingt
vor einen Pastor schleppen, und ich mußte mein ganzes diplomatisches Geschick
aufbieten, um ihm zu widerstehen. Die Leute glaubten, ich schwankte zwischen
den Reizen zweier Männer hin und her, sie hielten mich für einen Vamp, und das
verjüngte mich, wenngleich es mir auch lästig war.
    Diese herrliche Zeit dauerte an die
drei Wochen. Unbeschreiblich ist der Zauber des Lebens, wenn man es liebt. Die
Schönheit der Tage, die Verwirrung der Nächte, der Schwindel des Alkohols und
der Lust, die Geigen der Zärtlichkeit, die Erregung der Arbeit, die Gesundheit,
das unfaßbare Glück zu erwachen und so viel Zeit vor sich zu haben, den ganzen
unendlich langen Tag, bis der Schlaf einen wieder in der Pose des Todes auf dem
Kissen erstarren läßt. Nie werde ich dem Himmel oder Gott oder meiner Mutter
genug für mein Leben danken können. Alles gehörte mir: die Frische der Laken
oder ihre Feuchte, die Schulter meines Geliebten neben mir oder meine
Einsamkeit, der blaue und graue Ozean, die glatte amerikanische Straße zu den
Studios, die Musik aus allen Radioapparaten und der flehende Blick von Lewis.
    Hier hielt ich inne. Ich begann mich zu
schämen. Ich hatte das Gefühl, ihn jeden Abend im Stich zu lassen. Wenn ich ihn
auf dem Drehgelände besuchte, wenn ich die Tür meines Wagens hinter mir
zuschlug und auf ihn zuging mit meinen langen Schritten, den, wie ich hoffte,
harmonischen Schritten einer ausgeglichenen Frau, fand ich ihn zerstreut,
fröstelnd, nachdenklich vor, und manchmal fragte ich mich in einer Art
geistigen Deliriums, ob ich mich nicht irrte... ob dieses Leben, das meine,
diese Lebensfreude, die Fröhlichkeit, diese Liebe zu den Männern, dieses
Erfülltsein nicht eine dumme Täuschung seien... ob ich nicht zu ihm laufen
müßte, ihn in meine Arme nehmen und fragen... was fragen? ... Etwas in mir
erschrak. Ich fühlte mich zu etwas Unbekanntem, Krankhaftem und doch eindeutig
»Wahrem« hingezogen. Aber dann schüttelte ich mich, lachte, sagte »hallo,
Lewis!« und er lächelte zurück. Ein- oder zweimal sah ich ihm bei der
Dreharbeit zu. Unbefangen wie ein Tier stand er vor dieser gierigen Kamera,
sehr sparsam in seinen Bewegungen, so abwesend, daß er unversöhnlich und
untröstlich wirkte wie die müden Löwen in den Zoos, deren Blick man nicht
erträgt.
    Dann beschloß Bolton, ihn zu kaufen. Es
fiel ihm nicht schwer. Es gab in Hollywood keinen Produzenten, der imstande
war, ihm etwas zu verweigern, Jay Grant ebensowenig wie die andern. Er rief
also Lewis zu sich, bot ihm einen besseren Vertrag an als Jay und löste den
ursprünglichen Vertrag ab. Ich war wütend. Um so mehr, als es Lewis von sich
aus nicht der Mühe wert fand, mir ihre Unterredung zu schildern. Ich mußte erst
in ihn dringen.
    »Da war ein großer Schreibtisch. Er saß
dahinter, mit seiner Zigarette. Er bot mir einen Stuhl an, und dann fing er an,
mit irgend jemandem zu telefonieren.«
    Lewis sprach langsam, gelangweilt. Wir
saßen auf der Terrasse. Ich hatte beschlossen, an diesem Abend nicht
auszugehen.
    »Was taten Sie?«
    »Auf dem Schreibtisch lag eine
Illustrierte. Ich nahm sie und las.«
    Die Sache fing an mich zu amüsieren.
Ein junger Mann, der vor Jerry Boltons Nase las, das war ein erheiterndes Bild.
    »Und dann?«
    »Als er auflegte, fragte er mich, ob
ich glaubte, ich sei beim Zahnarzt.«
    »Was haben Sie geantwortet?«
    »Ich sagte ›nein‹, ich sei jedenfalls
noch nie beim Zahnarzt gewesen. Ich habe nämlich sehr gute Zähne.«
    Er beugte sich zu mir und schob mit dem
Zeigefinger die Oberlippe zurück, um mir die Wahrheit seiner Worte zu beweisen.
Er hatte Wolfszähne, weiß und spitz. Ich nickte zustimmend.
    »Und dann?«
    »Nichts weiter. Er knurrte irgend
etwas. Daß er mir die Ehre erweise, sich für mich zu interessieren, oder so
etwas Ähnliches. Daß er mich kaufen und mir zu einer... wie sagte er noch? ...
zu einer einmaligen Karriere verhelfen wolle.«
    Er begann plötzlich zu lachen.
    »Einmalig... ich! Ich sagte ihm, das
sei mir ganz egal, ich wollte nur genug Geld verdienen. Ich habe nämlich einen
Rolls gefunden, wissen Sie.«
    »Einen was?«
    »Na, einen dieser Rolls, von denen Sie
neulich mit Paul sprachen. In die man einsteigen kann, ohne sich zu bücken. Ich
habe einen für Sie gefunden. Zwanzig Jahre alt, aber sehr hoch und innen voller
Gold. Wir kriegen ihn nächste
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