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Der Wachsblumenstrauß

Der Wachsblumenstrauß

Titel: Der Wachsblumenstrauß
Autoren: Agatha Christie
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Bank neben dem Bach, der in einem Wasserfall herabstürzte und dann durch einen Dschungel von Rhododendronbüschen dahinplätscherte. Sie starrte gedankenverloren ins Wasser, als Poirot zu ihr trat.
    »Ich hoffe, ich störe keine Ophelia«, sagte er, als er sich neben sie setzte. »Sie studieren vielleicht die Rolle gerade ein?«
    »Ich habe noch nie Shakespeare gespielt«, antwortete Rosamund. »Außer einmal die Jessica im Kaufmann irgendwo in der Provinz. Eine miese Rolle.«
    »Aber es fehlt ihr nicht an Pathos. Nie macht die lie b liche Musik mich lustig. Sie hatte eine große Last zu tragen, die arme Jessica, die Tochter des verhassten, verachteten Juden. Wie viel Selbstzweifel sie gehabt haben muss, als sie die Dukaten ihres Vaters mitnahm, bevor sie mit ihrem Geliebten davonlief. Jessica mit Gold war eine Sache – Jessica ohne Gold wäre vielleicht eine völlig andere gewesen.«
    Rosamund wandte ihm den Kopf zu und betrachtete ihn. »Ich habe gedacht, Sie wären schon weg.« Ihr Ton klang leicht vorwurfsvoll. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Es ist schon nach zwölf.«
    »Ich habe den Zug versäumt«, sagte Poirot.
    »Warum?«
    »Sie glauben, ich habe ihn aus einem bestimmten Grund versäumt?«
    »Das nehme ich an. Sie sind doch ziemlich korrekt, oder nicht? Wenn Sie einen bestimmten Zug erreichen wollten, würden Sie ihn auch erreichen.«
    »Sie haben ein bewundernswertes Urteilsvermögen. Wissen Sie, Madame, ich habe in dem kleinen Sommerhaus gesessen und gehofft, Sie würden mir vielleicht einen Besuch abstatten.«
    Rosamund starrte ihn an.
    »Warum sollte ich das? Sie hatten sich doch mehr oder minder schon in der Bibliothek von uns verabschiedet.«
    »Das hatte ich in der Tat. Und es gibt nichts… das Sie mir sagen möchten?«
    »Nein.« Rosamund schüttelte den Kopf. »Es gibt einiges, worüber ich nachdenken möchte. Wichtige Dinge.«
    »Ich verstehe.«
    »Ich denke nicht oft nach«, fuhr Rosamund fort. »Pure Zeitverschwendung. Aber das, worum es jetzt geht, ist wichtig. Ich finde, man sollte sein Leben so planen, wie man es gerne führen möchte.«
    »Und das tun Sie jetzt?«
    »Na ja, ja… Ich habe versucht, eine Entscheidung zu treffen.«
    »Über Ihren Mann?«
    »In gewisser Hinsicht.«
    Poirot wartete einen Augenblick. »Inspector Morton ist gerade eingetroffen«, sagte er dann und fügte hinzu, Rosamunds Frage vorwegnehmend: »Das ist der Polizeibeamte, dem die Ermittlungen im Fall von Mrs Lansquenets Tod übertragen wurden. Er ist hergekommen, weil er von Ihnen allen erfahren möchte, wo Sie am Tag ihres Todes waren.«
    »Ich verstehe. Ein Alibi.« Rosamund klang belustigt.
    Ihr schönes Gesicht verzog sich zu einem amüsierten Lächeln.
    »Das wird Michael einen schönen Schreck einjagen«, sagte sie. »Er denkt, ich wüsste nicht, dass er an dem Tag zu der Frau gefahren ist.«
    »Woher wussten Sie das?«
    »Es ging eindeutig aus der Art hervor, wie er sagte, dass er sich mit Oscar zum Mittagessen treffen würde. So schrecklich beiläufig, wissen Sie, und seine Nase hat ein ganz kleines bisschen gezuckt, wie immer, wenn er lügt.«
    »Ich bin von Herzen dankbar, dass ich nicht mit Ihnen verheiratet bin, Madame!«
    »Und dann habe ich mich natürlich vergewissert und Oscar angerufen«, fuhr Rosamund fort. »Männer stellen sich beim Lügen immer so dumm an!«
    »Er ist, fürchte ich, kein sehr treuer Ehemann?« Poirot zögerte mit seiner Frage.
    Rosamund widersprach ihm nicht.
    »Nein.«
    »Aber es stört Sie nicht?«
    »Ach, in gewisser Hinsicht ist es lustig«, sagte Rosamund. »Ich meine, einen Mann zu haben, den alle anderen Frauen einem wegschnappen wollen. Ich fände es schrecklich, mit einem Mann verheiratet zu sein, den keine andere haben will – wie die arme Susan. Greg ist doch nur ein Waschlappen!«
    Poirot musterte sie.
    »Und falls es jemandem gelingen sollte – Ihnen Ihren Mann wegzunehmen?«
    »Das wird nicht passieren«, antwortete Rosamund. »Jetzt nicht mehr«, fügte sie hinzu.
    »Sie meinen…«
    »Jetzt nicht mehr, wo ich das Geld von Onkel Richard habe. Michael verguckt sich in diese Weiber – diese Sorrel Dainton hätte sich ihn beinahe gekrallt, wollte ihn ganz für sich haben – aber für Michael ist die Bühne wichtiger als alles andere. Und jetzt kann er groß rauskommen, kann seine eigene Show auf die Beine stellen. Er kann auch selbst Stücke produzieren und braucht nicht nur zu spielen. Er ist sehr ehrgeizig, müssen Sie wissen, und er ist wirklich
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