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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann
Autoren: Mo Hayder
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nach vier Jahren Dienst im CID, war er erschöpft und gelangweilt gewesen, er trat auf der Stelle; er wartete auf etwas Neues. Bis er auf einer inoffiziellen Halloweenparty des CID bemerkte, daß ihn, wann immer er sich umdrehte, ein Mädchen in einem Minirock und goldenen Riemchensandalen beobachtete, auf deren Gesicht ein wissendes Lächeln lag.
    Veronica löste bei Jack eine hormonell bedingte Besessenheit aus, die zwei Monate andauerte. Sie kam seinem Sextrieb entgegen. Jeden Morgen um sechs weckte sie ihn auf, um mit ihm zu schlafen, und die Wochenenden verbrachte sie damit, durchs Haus zu spazieren, mit nichts am Leib außer hochhackigen Schuhen und pinkfarbenem Lippenstift.
    Sie gab ihm neue Energie, und auch andere Bereiche seines Lebens begannen, sich zu verändern. Im April war das Kopfende seines Bettes von den Absätzen ihrer Stöckelschuhe zerkratzt, und er hatte eine Versetzung zum AMIP in der Tasche. Zur Mordkommission.
    Aber im Frühling, gerade als sein Begehren nach ihr nachließ, änderte Veronica ihre Haltung. Sie meinte es jetzt ernst mit ihm und startete den Versuch, ihn an die Leine zu legen. Eines Abends mußte er sich auf ihr Geheiß setzen, und sie erzählte ihm mit gewichtiger Miene von der großen Ungerechtigkeit in ihrem Leben: Lange bevor sie sich kennengelernt hatten, hatte sie zwei Jahre ihrer Teenagerzeit dem Kampf gegen Krebs geopfert.
    Der Trick funktionierte. Überrumpelt, wie er war, wußte er plötzlich nicht mehr, wie er mit ihr Schluß machen sollte.

    Wie anmaßend, Jack, dachte er, als wäre es eine Wiedergutmachung, wenn er sie nicht verlassen würde, wie anmaßend du doch sein kannst.
    Drinnen in der Küche senkte sie ihr schmales Kinn auf die Brust, schob ihre Zunge zwischen die Lippen und zupfte einen Minzestengel in Stücke. Er goß sich etwas Whisky ein, den er in einem Schluck hinunterstürzte.
    Heute abend würde er es tun. Vielleicht beim Abendessen.
     
    Nach einer Stunde war das Essen fertig. Veronica drehte alle Lichter im Haus an und entzündete auf der Veranda nach Citronelle duftende Gartenkerzen.
    »Pancetta und grüner Bohnensalat mit Rauke, Garnelen mit Honig und Sojasoße, gefolgt von einem Sorbet aus Clementinen. Bin ich die perfekte Hausfrau oder nicht?« Sie schüttelte ihr Haar und lächelte. »Ich dachte, ich probier es an dir aus, um zu sehen, ob es für die Party passend wäre.«
    »Die Party.« Die hatte er vergessen. Sie hatten sich darauf geeinigt, als sie meinten, daß zehn Tage nach der Bereitschaftswoche ein günstiger Zeitpunkt wäre, um eine Party zu feiern.
    »Zum Glück habe ich sie nicht vergessen, nicht wahr?« Den Topf mit den neuen Kartöffelchen in der Hand, schob sie sich an ihm vorbei. Im Wohnzimmer waren die Fenstertüren zum Garten geöffnet. »Wir essen heute abend hier drinnen, es wäre doch sinnlos, extra ins Eßzimmer umzuziehen.« Sie blieb stehen und sah auf sein zerknittertes T-Shirt, die frische Sonnenbräune und das dunkle, wilde Haar. »Findest du nicht, daß du dich zum Essen umziehen solltest?«
    »Du machst wohl Scherze?«
    »Nun, ich …« Sie breitete eine Serviette über ihren Schoß.
    »Ich finde, es wäre hübsch.«
    »Nein.« Er setzte sich. »Ich brauche meinen Anzug. Ich habe einen neuen Fall.«
    Mach weiter, frag mich über den Fall aus, Veronica, zeig an etwas anderem Interesse als an meiner Garderobe.

    Aber sie begann, Kartoffeln auf seinen Teller zu laden. »Du hast doch nicht nur einen Anzug, oder? Daddy hat dir doch den grauen geschickt.«
    »Der andere ist in der Reinigung.«
    »Ach, Jack, das hättest du sagen sollen. Ich hätte ihn doch abholen können.«
    »Veronica …»
    »Schon gut.« Sie hob die Hand. »Tut mir leid. Ich erwähne es nicht wieder.« Sie brach ab. Im Flur läutete das Telefon. »Ich möchte mal wissen, wer das ist.« Sie spießte eine Kartoffel auf. »Aber ich kann es mir irgendwie fast denken.«
    Caffery stellte sein Glas ab und schob seinen Stuhl zurück.
    »Mein Gott«, sagte sie gereizt und legte die Gabel weg. »Die haben wirklich den sechsten Sinn. Kannst du es nicht einfach klingeln lassen?«
    »Nein.«
    Im Flur nahm er den Hörer ab. »Ja?«
    »Lassen Sie mich raten. Ich habe Sie geweckt?«
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich wohl kaum schlafen würde.«
    »Tut mir leid, Ihnen das antun zu müssen, mein Freund.«
    »Ja, was gibt’s denn?«
    »Ich bin wieder hier unten. Der Chief Superintendent hat sich einverstanden erklärte, ein paar Geräte herbringen zu lassen.
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