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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster
Autoren: Anne Perry
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Wrexham die Richtung nicht wechselte, würden sie bald in Limehouse sein, in der West India Road gleich am Ufer der Themse. In jener abgelegenen Gegend würde es ihn nicht die geringste Mühe kosten, im Gewirr von Ladekränen, Warenballen, Lagerhäusern, Hafenarbeitern und Schauerleuten unterzutauchen. Sofern er zu einem der Anleger ging, konnte er sich zwischen den vor Anker liegenden Schiffen und Kähnen aller Art unsichtbar machen, bevor Pitt und Gower ihrerseits eins der Fährboote besteigen und ihm folgen konnten.

    Als hätte er sie gesehen, beschleunigte Wrexham plötzlich den Schritt, dass sein Schal flog.
    Pitt empfand eine gewisse Unruhe. Seine Muskeln schmerzten, und seine Füße brannten trotz seines erstklassigen Schuhwerks. Das war der einzige Luxus an Kleidung, den er sich gönnte, ansonsten war mit ihm rein äußerlich nicht viel Staat zu machen. Nicht einmal vorzüglich geschnittene Jacketts saßen bei ihm richtig, weil er sich stets die Taschen mit allerlei Kleinigkeiten vollstopfte, von denen er annahm, dass er sie irgendwann einmal vielleicht brauchen könnte – Bindfaden, Siegelwachs und dergleichen. Seine Krawatten verrutschten ständig, vielleicht, weil er sie zu locker band. Doch bei seinen Schuhen achtete er nicht nur stets auf erste Qualität, sie waren auch jederzeit bestens gepflegt. Zwar arbeitete er hauptsächlich mit dem Kopf in dem Bemühen, Zusammenhänge zu erkennen, wo andere nichts sahen, doch war ihm bewusst, wie wichtig die Füße für einen Polizeibeamten waren. Manche Gewohnheiten wurde man eben nie los. Bis man ihn aus der Londoner Polizei hinausgedrängt hatte, woraufhin ihm Victor Narraway eine Anstellung beim Sicherheitsdienst angeboten hatte, war er so manche Meile zu Fuß gegangen, so dass er wusste, wie wichtig körperliche Ausdauer und erstklassiges Schuhwerk waren.
    Mit einem Mal rannte Wrexham über die schmale Straße und verschwand in der Gun Lane.
    »Sicher will er zum Bahnhof von Limehouse!«, rief Gower und wich im letzten Augenblick einem Langholz-Fuhrwerk aus, während er ihm nachstürmte.
    Pitt war dicht hinter ihm. Dieser Bahnhof an der Linie nach Blackwall lag weniger als hundert Meter entfernt. Von dort aus konnte der Mann einen Zug in mindestens drei verschiedene Richtungen nehmen und damit in der Riesenstadt London untertauchen, womit er unauffindbar sein würde.

    Doch er lief mit laut hallenden Schritten durch die Gun Lane am Bahnhof vorüber, bog links in die Three Colts Street ein und wandte sich dann in Richtung Ropemaker’s Field.
    Pitt war so sehr außer Atem, dass er Gower nichts hätte zurufen können. Wozu auch – ohnehin war Wrexham nur noch höchstens fünfzehn Schritt vor ihm. Da sich die drei rasch laufenden Männer näherten, stoben die wenigen Menschen auf dem Gehsteig auseinander. Ganz wie von Pitt befürchtet, strebte Wrexham der Themse zu.
    Am Ende von Ropemaker’s Field ging es nach rechts in die Narrow Street. Von dort waren es nur wenige Schritte bis zum Ufer. Vom Wasser wehte eine kräftige Brise herüber, die nach Salz und Schlamm roch. Es herrschte Ebbe. Ein halbes Dutzend Möwen kreisten träge über einigen Lastkähnen.
    Wrexham war immer noch vor ihnen. Allmählich wurden seine Bewegungen langsamer, seine Kräfte schienen nachzulassen. Er lief am Eingang zum Limehouse Cut vorüber, ganz offensichtlich waren die Kidney Stairs sein Ziel, an deren Fuß unter Umständen ein Fährboot abfahrbereit lag. Falls nicht, würde er das sehen, bevor er hinablief, und einfach zu einer der beiden nächsten steinernen Treppen rennen, die zum Fluss hinabführten, bevor sich die Straße wieder in Richtung Broad Street von ihm entfernte. Außer diesen dreien gab es noch weitere Treppen an den Shadwell Docks. An jeder von ihnen konnte er seine Verfolger ohne weiteres abschütteln, falls es ihm gelang, in ein abfahrbereites Boot zu springen.
    Gower wies auf den Fluss. »Zur Treppe!«, rief er und rang im nächsten Augenblick nach Luft. Er machte eine weit ausholende Armbewegung, dann lief er weiter, einige Schritte vor Pitt.
    Pitt sah einen Fährmann, der sein Boot dem Ufer entgegenruderte. Er würde die Treppe kurz nach Wrexhams Eintreffen dort erreichen. Damit wäre es Pitt und Gower möglich,
ihn in die Enge zu treiben. Vielleicht konnten sie den Fährmann dazu bringen, dass er sie zum Pool of London ruderte. Pitt sehnte sich nach einer Gelegenheit, sich wenigstens einige Minuten hinzusetzen und auszuruhen.
    Wrexham erreichte die Treppe und
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