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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster
Autoren: Anne Perry
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am Arm hielt.
    In dem ganzen Gebäude rührte sich nichts. Sicherlich aber gab es dort doch selbst dann irgendeine Art Wache, wenn sich Pitt die ganze Verschwörung nur eingebildet haben sollte?
    Als sie das Tor erreichten, trat ein Mann vor. Er trug eine Livree, die ihm mehr um die Glieder schlotterte, als dass sie ordentlich saß. Zwar nahm er eine Art Habachtstellung ein, doch merkte man, dass er kein Soldat war. In seinen Augen blitzte Überheblichkeit.
    »Se könn’n hier nich’ rein«, teilte er ihnen kurz angebunden mit. »Das gehört der Königin. Se dürf ’n es sich gerne von auß’n anseh’n, aber kein’n Schritt weiter, verstand’n?«
    Pitt kannte das Gesicht des Mannes. Er versuchte sich an den Namen zu erinnern, doch er fiel ihm nicht ein. Er war so
müde, dass ihm alles vor den Augen zu verschwimmen begann. Er musste wach bleiben, seinen Verstand beisammen halten, dafür sorgen, dass seine Urteilskraft ungetrübt blieb. Er stand unmittelbar hinter Austwick und stieß ihn an.
    »Das geht in Ordnung, McLeish«, sagte dieser mit leicht zitternder und ein wenig belegter Stimme. »Die Herren gehören zu mir. Wir müssen hinein.«
    Der Mann zögerte.
    »Und zwar so schnell wie möglich«, fügte Pitt hinzu. »Hinter uns kommen noch mehr. In einer oder zwei Stunden ist alles vorbei.«
    »Na schön«, sagte McLeish, wandte sich auf dem Absatz um und ging ihnen voraus.
    »Fragen Sie ihn nach der Königin«, zischte Pitt Austwick zu. »Machen Sie jetzt bloß nicht schlapp. Gehängt zu werden ist kein schöner Tod.«
    Da Austwick strauchelte, riss Stoker ihn hoch.
    Austwick räusperte sich. »Geht es der Königin gut? Ich meine … ist sie in der Lage, Schriftstücke zu unterzeichnen?«
    »Selbstverständlich«, gab McLeish munter zur Antwort. »Übrig’ns sin’ da gestern drei Leute aufgetaucht, ’n Mann un’ zwei Frauen. Uns is’ nix andres übriggeblieb’n, wie se reinzulass’n, weil se sonst imstande gewes’n wär’n, Alarm zu schlag’n. Aber die mach’n kein’n Ärger. Alles läuft best’ns.«
    Jetzt hatten sie fast den Eingang zum Palast erreicht.
    Austwick zögerte.
    Die Sonne schickte ihre Strahlen durch eine Lücke zwischen den Bäumen. Aus dem Gebäude hörte man kein Lebenszeichen, keinen Laut, aber vermutlich dämpften die mächtigen Flügel des Portals alle Geräusche.
    Jemand musste sie beobachtet haben, denn das Portal öffnete sich, und ein breitschultriger Mann mit einer Schrotflinte über der Schulter stellte sich ihnen in den Weg.

    Mit hoch erhobenem Kopf trat Austwick vor. Anfangs wirkte seine Stimme ein wenig brüchig, wurde aber immer fester.
    »Guten Morgen, Portman. Ich heiße Charles Austwick und vertrete Sir Gerald Croxdale sowie alle Sozialisten unseres Landes.«
    »Höchste Zeit, dass Sie kommen!«, sagte Portman, und es klang wie ein Verweis. »Haben Sie die Dokumente?«
    »Wir bringen sie der Königin«, sagte Pitt rasch. »Lassen Sie uns ein. Es ist fast vorbei.« Er bemühte sich, eine gewisse Erregung in seine Stimme zu legen.
    Portman lächelte. »In Ordnung.« Er hob den Arm, über dem die Flinte hing, zu einem Siegesgruß.
    Stoker trat vor und versetzte ihm einen Schlag, in den er sein ganzes Gewicht legte. Er traf ihn in den Solarplexus, so dass der Mann rückwärts ins Innere des Gebäudes taumelte. Dort krümmte er sich vor Schmerzen, wobei seine Flinte zu Boden fiel. Sofort griff Stoker danach und hob sie auf.
    Austwick stand wie gelähmt.
    Als sich Pitt daranmachte, die Treppe emporzusteigen, kam ein weiterer Mann mit schussbereiter Waffe aus dem Dienstbotentrakt. In diesem Augenblick tauchte Narraway auf dem Treppenabsatz auf und versetzte ihm einen so heftigen Hieb, dass er mit dem Gesicht voran die Treppe hinabstürzte, wobei er seine Waffe losließ. Mit gebrochenem Genick blieb er am Fuß der Treppe liegen.
    Der Mann im Vestibül hob die Waffe auf und richtete sie auf Pitt. Austwick, der das wohl nicht gesehen hatte, trat vor ihn, und im selben Augenblick hallte ein Schuss, woraufhin Austwick langsam zu Boden sank, wo sich eine riesige Blutlache bildete.
    Stoker feuerte auf den Mann, der geschossen hatte.
    Jetzt kam Narraway nach unten und nahm dem am Boden liegenden Mann die Waffe ab.

    »Es sind noch fünf weitere da«, sagte er gelassen. » Wir wollen zusehen, ob wir sie ohne weiteres Blutvergießen festnehmen können.«
    Pitt sah Narraway an. Zwar schien dieser vollständig Herr der Lage zu sein, doch sah er elend aus, und seine Augen lagen
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