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Der verkaufte Tod

Der verkaufte Tod

Titel: Der verkaufte Tod
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht genug transplantationsfähige Nieren gibt. Selbst die Dialysebehandlung ist gefährdet. Nicht in Deutschland, aber zum Beispiel in den sonst so technisch perfekten USA fehlt es an Dialysegeräten. Noch schlimmer sieht es in der Sowjetunion aus. Dort sterben fast neunzig Prozent der chronisch Nierenkranken, weil sie nicht behandelt werden können.«
    »Ich möchte sagen: Das sind Probleme der Sowjetunion, der USA und Deutschlands.« Sadrapan hatte sein Glas leer geschlürft und schob es über den Tisch. »Was geht das uns an? Alle diese Klagen sind sinnlos. Ändern Sie die Gesetze, lassen Sie den Organhandel zu, und es gibt keine Wartelisten mehr. Was soll der ganze moralische Quatsch?« Er lehnte sich zurück und blickte Drewitz herausfordernd an. »Was also wollen Sie eigentlich von mir, Mr. Drewitz?«
    »Nichts.« Drewitz schob seine Papiere zusammen und steckte sie in eine Aktentasche. »Nichts mehr, Herr Oberstaatsanwalt. Ich werde nie Ihre Denkungsart verstehen.«
    »Und was werden Sie schreiben?«
    »Das, was ich gesehen habe.«
    »Gratuliere. Das ist eine kostenlose Werbung für unsere Nieren. Im übrigen kehren Sie mal vor Europas und Amerikas Türen: Die Mafia ist längst in das Organgeschäft eingestiegen. Auch bei uns. Ich kann Ihnen sogar eine Zahl nennen: Der Nierenhandel hat Indien bisher vierhundert Millionen Rupien eingebracht. Und wenn das so weitergeht, wird im Jahr 2000 kaum noch ein Inder aus den Slums mit zwei Nieren herumlaufen. Und nun, Mr. Drewitz, tun Sie mal was dagegen. Geben Sie den dreieinhalb Millionen Ärmsten in Kalkutta eine menschenwürdige Unterkunft und mindestens einmal täglich eine Mahlzeit. Wer das schafft, hat Gottes Schöpfung übertroffen.«
    Es geschah also nichts. Chandra Kashi kaufte weiter Nieren, und Dr. Banda implantierte sie zahlungskräftigen Patienten.
    Bernd Drewitz flog nach München zurück und lieferte seine sensationelle Story ab. Es war der erste Bericht, der über die heimlichen Nierenverkäufe und die Nierentransplantationen an reiche Kranken informierte, und die Erschütterung war groß. Das war im Jahre 1984 noch möglich; heute blättert man mit einem gelangweilten Achselzucken darüber weg.
    Nur einen Fehler hatte Bernd Drewitz begangen: Er war zu früh aus Kalkutta abgereist. Wäre er noch einen Monat geblieben, hätte er miterlebt, wie aus dem kraftstrotzenden Hotelbesitzer Tawan Alipur ein hilfloses Wrack wurde. Und er verpaßte damit eine zweite, noch sensationellere Story, die die ganze Menschheit beunruhigt hätte.
    Es begann damit, daß Tawan Alipur eines Morgens aufwachte, wie immer aus dem Bett springen wollte und es nicht konnte. Er fiel zurück, lag wie ein umgeworfener Käfer auf dem Rücken und starrte fassungslos an die Zimmerdecke.
    Nach den Augenblicken der Sprachlosigkeit überfiel ihn Panik. Er biß die Zähne aufeinander, stemmte sich empor, setzte sich auf die Bettkante und sah entsetzt, wie sich das Zimmer um ihn drehte. Am Kopfteil des Bettes zog er sich empor, und als er auf seinen Beinen stand und sich festklammerte, schrie er sich innerlich zu: »Du bist stark! Du bist stark! Du kannst gehen! Du kannst stehen! Du bist nicht schwach! Geh, geh, geh!«
    Er versuchte den ersten Schritt und wäre hingefallen, wenn er sich nicht wieder aufs Bett geworfen hätte. Dort fiel er in sich zusammen, eine unnennbare Angst verkrampfte sein Herz, er mußte um jeden Atemzug ringen und hörte es in sich rasseln und röcheln. O Shiva, dachte er. Shiva, was ist mit mir? Wie kann das sein? Noch gestern abend habe ich in der Bar mit einer Frau getanzt, es war anstrengend, zugegeben, aber es hat mir Spaß gemacht, und jetzt liege ich hier und kann nicht aufstehen. O Shiva, welche Krankheit schickst du mir?
    Die Angst schnürte ihm die Kehle zu. Er griff nach dem Telefon auf dem Nachttisch und wählte mit zitternden Fingern die Nummer von Dr. Bandas Klinik. »Bitte Dr. Kasba«, rief er mit bemüht fester Stimme. »Sofort! Bitte sofort! Es ist dringend.«
    Es dauerte trotzdem eine ganze Weile, bis sich Dr. Kasba meldete. Seine Stimme klang heiser und stockend. »Kasba.«
    »Hier ist Tawan. Doktor, Sie müssen sofort kommen. Hier ins Hotel. Sofort!«
    »Tawan, mein Freund, rufst … rufst du um Hilfe? Hat … hat dir ein Weib dein Schwänzchen abgebissen?«
    »Mein Gott, sind Sie betrunken?«
    »Und wie! Total betrunken … Und einen Du… Durst habe ich. Muß ich ko… kommen?«
    »Ja. Sofort!«
    »Ver… verblutest du?«
    »Nein! Ich kann nicht
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