Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition)
Autoren: Robert M. Talmar
Vom Netzwerk:
Festgetümmel unter.
    Musiker spielten den ganzen Tag über auf. Gaukler warfen Bälle und Äxte, andere vollführten unerklärliche Kunststücke mit Tauben, Münzen, Tüchern und Seilen, die vor allem die Kinder hellauf begeisterten.
    Aus vielen eigens errichteten Garküchen roch es schon vor demeigentlichen Essen verführerisch; es gab Stände, an denen Zuckerwatte, andere, an denen Honigkürbisse, und wieder andere, an denen glasierte Äpfel an Holzstielen verteilt wurden; wer wollte, konnte sich so ununterbrochen den Bauch füllen, dass es eine Lust war. Getränke, vor allem Fruchtsäfte, Tees der verschiedensten Geschmäcker, Dünnbier und Limonaden wurden gereicht. Natürlich gab es noch die eigentlichen, die regulären Mahlzeiten, die an langen, gedeckten Tischreihen eingenommen wurden, die sich längs der Hecken unter Sonnensegeln über den ganzen Hof erstreckten. Das Mittagessen war von angemieteten Köchen aus Mechellinde im Wohnhaus zubereitet und endlich unter fröhlichen Melodien der Spielleute herausgetragen worden, in solchen Mengen, dass sich darunter die Tische bogen; anschließend gab es Kuchen.
    Hernach wurden, unterbrochen von etlichen kurzen Ansprachen, an alle Gäste Geschenke verteilt. (Die Geschenke trugen ausnahmslos Furgos Drachenschildsiegel, die gekreuzten Mühlenflügel, und den Schriftzug fokklindar   – Fokklinhand. ) Die meisten der Beschenkten freuten sich über ihr lackiertes Holzkistchen, in dem sich eine neue Feder und ein Fläschchen hellblauer, roter, grüner oder goldener Tinte befanden. Schon nach kurzer Zeit waren etliche der solcherart Beschenkten in emsige Tauschgeschäfte verstrickt, bis ein jeder (oder fast jeder) glücklich die Farbe sein Eigen nannte, die ihm selbst am Besten gefiel.
    Furgo rieb sich die Hände, als er die erfreuten Gesichter reihum bemerkte   – er wusste, all diese Vahits würden ihre Federn schon bald begeistert zum Schreiben verwenden.
    »Du erkennst, was das bedeutet?«, raunte er Finn zu, als dieser an ihm vorüberging. Er hielt ihn am Ellbogen zurück und lenkte Finns Blick auf Fradha Zeisig, die in einem hellblauen Kleid an einem der Tische saß und mit rosigen Händen und vor Aufregung glänzender Stirn ihre Feder in ein sonnengelbes Tintenfässchen tunkte. Noch leuchtete ihr Kleid makellos über ihrem runden Bauch   – sie war wieder einmal schwanger.
    »Sie wird sich gleich mit Tinte beklecksen?« Er meinte es nichternst und grinste vorsichtshalber übertrieben; bei seinem Vater wusste man nie. Scherze waren dessen Sache nicht.
    »Nein, du Tunichtgut. Fradha, die anderen   – sie alle   – sie werden über kurz oder lang bei uns Papier erstehen, um darauf zu schreiben und um dabei ihre gerade erhaltene Tinte zu verbrauchen, die sie ersetzen müssen. Warte, ich werde dir zeigen, wie sich wirklich gutes Papier anfühlt.«
    Furgo eilte fort und kam unverzüglich mit einem oder zwei Blättern raschelnden Fokklinhand-Papiers aus der Werkstatt zurück (das, nebenbei bemerkt, als Wasserzeichen selbstverständlich ebenfalls die Mühlenflügel zeigte). Ein weiterer Beweis für den Geschäftssinn seines Vaters. Ein weiterer Beweis, dass dessen Stiefel ihm zu groß waren? Kopfschüttelnd schlenderte Finn zum Hofheckentor. Neue Gäste kamen.
    Den ganzen Tag über hatte es für Finn förmlich Glückwünsche geregnet. Lange, ehe die Sonne unterging, tat ihm schon die Hand weh vom Drücken und Schütteln. Bis zum Abend trafen immer neue Vahits ein, fremde wie bekannte, geladene wie ungeladene, bedeutende wie unwichtige. Fast ganz Moorreet war vertreten, eine Unvermeidlichkeit, weil jeder der Vahits aus den umliegenden Häusern und Brochs es sich ohnehin nicht hätte nehmen lassen, bei der Feier dabei zu sein, von den Rohrammers einmal abgesehen, selbst wenn man sie geladen hätte.
    Als die Sonne unterging und ein großes Feuer im Hof entfacht wurde, erstrahlten darüber hinaus alle Gebäude von Fokklinhand im Lichte unzähliger Lampions. Bis zum Abendessen, währenddessen und danach wurde musiziert, getanzt, gelacht und gefeiert, und in all dem bunten Treiben fiel es niemandem auf: Einen gab es, der still und abseitsstehend an seinem Bier nippte und ein Gesicht zog, als gäbe es nicht nur Regen, sondern gleich ein ganzes Gewitter.
    Dieser eine war natürlich niemand anderes als Finn. Die laute Fröhlichkeit und die ungehemmte Vorfreude, mit der Furgo die Volljährigkeit seines Sohnes feierte, brachte ebendiesen Sohn an den Rand der Verzweiflung,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher