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Der Vampyr

Titel: Der Vampyr
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Strömung ihn immer wieder von der Sandbank wegspülte - lautlos an Bord des Schiffes geklettert. Der Posten oben war leicht zu täuschen gewesen. Andrej hatte gelernt, sich lautlos wie eine Katze zu bewegen und mit den Schatten zu verschmelzen, sodass er nur einen günstigen Moment abpassen mußte, um über das dunkle Deck zu huschen und in der offenen Luke zu verschwinden.
    Dummerweise war es die falsche Luke gewesen. Andrejs Plan sah vor, sich in Abu Duns Quartier zu schleichen und den Sklavenhändler in seine Gewalt zu bringen, um sein Leben gegen das der Sklaven einzutauschen, die im Bauch des Schiffes in Ketten lagen. Ein simpler Plan, aber gerade das war es, was Andrej daran gefallen hatte. Die meisten guten Pläne waren einfach. Aber unter der Luke, die er gefunden hatte, befand sich nicht Abu Duns Schlafgemach, sondern ein Raum mit einer einzelnen, äußerst massiven Tür, hinter der vermutlich die Sklavenquartiere lagen.
    Zwei Krieger bewachten den Raum. Andrej hatte einen von ihnen töten müssen und den anderen niedergeschlagen und geknebelt. Er war genauso überrascht gewesen wie die beiden Wächter, die Wächter, die angesichts der fortgeschrittenen Zeit ohnehin nicht mehr aufmerksam waren. Hätte er nur den Bruchteil einer Sekunde später reagiert, es hätte für ihn nicht so günstig ausgehen können …
    Andrej verscheuchte auch diesen Gedanken. Sein Blick wanderte noch einmal durch den Raum und blieb an der eisenbeschlagenen Tür Jenseits der Treppe hängen. Er wußte nicht, was dahinter lag, aber er konnte es sich ziemlich gut vorstellen. Ein dunkler, möglicherweise mit Gitterstäben in noch kleinere Käfige unterteilter Raum, groß genug für fünfzig Menschen, in dem mehr als hundert Sklaven aneinander gekettet in ihrem eigenen Schmutz lagen. Die Überlebenden aus dem Borsä-Tal, das auch ihm einst Heimat gewesen war. Menschen, die zum großen Teil wenn auch nur entfernt -
    mit ihm verwandt waren. Die von Vater Domenicus’ Schergen ver-schachert worden waren, um seinen inquisitorischen Feldzug gegen angebliche Hexen und Teufelsanbeter zu finanzieren. So etwas wie seine Familie. Nun, nicht ganz. Schließlich hatten diese Menschen ihn schon vor einer Ewigkeit aus ihrer Mitte vertrieben, hatten ihn als Ketzer und Dieb gebrandmarkt, als ruchbar wurde, daß er -
    wenn auch unfreiwillig - in den Kirchraub in Rotthurn verstrickt gewesen war. Aber trotzdem konnte er nicht so tun, als wären sie ihm vollkommen fremd. Vielleicht hätte er sich sogar um ihre Befreiung bemüht, wenn ihn mit diesen Menschen gar nichts verbun-den hätte, abgesehen davon, das sie Menschen waren und er die Sklaverei für das schändlichste aller Vergehen hielt. Außerdem hatte er seinem Zögling Frederic versprochen, alles für die Rettung seiner Verwandten aus dem Borsä-Tal zu tun. Die Verlockung war groß, die Tür zu öffnen und die Gefangenen zu befreien. Es gab nicht einmal ein Schloß, sondern nur einen schweren, eisernen Riegel.
    Aber es war unmöglich, gut hundert Gefangene zu befreien, ohne das irgend jemand auf dem Schiff etwas davon merken würde. Sie waren jetzt so lange in Gefangenschaft, das es auf ein paar Augenblicke mehr oder weniger nicht mehr ankam. Er überzeugte sich noch einmal davon, das sein Gefangener nicht nur immer noch be-wußtlos, sondern auch sicher geknebelt und gefesselt war, dann legte er das Schwert aus der Hand, ließ sich neben dem toten Wächter auf die Knie sinken und zog ihm das Gewand aus. Dabei bemühte er sich, so wenig Lärm wie möglich zu machen, um den Wächter oben an Deck nicht zu alarmieren. Es kostete ihn erhebliche Überwindung, den einfachen Kaftan überzustreifen, der naß und schwer war und stank. Der Mann hatte heftig geblutet und im Augenblick des Todes schien er die Beherrschung über seine Körperfunktionen verloren zu haben. Der Turban stellte ein Problem dar. Andrej hatte keine Ahnung, wie man einen Turban band. Also wickelte er sich das Stück Tuch einfach ein paar Mal um den Kopf und hoffte, das das etwas mißglückte Ergebnis in der Dunkelheit nicht auffiel.
    Dann hob er sein Schwert auf und ging schnell und leicht nach vorne gebeugt, sodass sein Gesicht nicht zu sehen war, nach oben.
    Der Wächter befand sich am anderen Ende des Schiffes, würde aber gleich kehrtmachen, um die zweite Hälfte seiner Runde zu beginnen. Das Schiff war nicht groß; allenfalls dreißig Schritte. Er konnte eine Konfrontation mit dem Wächter nicht riskieren, und so wich er mit
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