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Der Vampyr

Titel: Der Vampyr
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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lebender Fracht gebaut worden. Sklaven. Sein Entschluss stand fest: Er würde Abu Duns Sklavenschiff auf den Flussgrund schicken. Die Mannschaft würde er schonen, obwohl sie vermutlich auch nur aus einer Bande von Mördern und Halsabschneidern bestand, aber das Piratenschiff selbst würde er versenken. Dazu mußte er jedoch erst einmal Abu Dun finden und ausschalten. Erneut beschlich ihn das Gefühl, das hier irgendetwas nicht stimmte. Er versuchte, dieses Gefühl einzuordnen, aber es gelang ihm nicht, und so konzentrierte er sich wieder auf seine Umgebung. Er war schon viel zu lange hier. Frederic war am Ufer zurückgeblieben und er hatte ihm eingeschärft, sich nicht von der Stelle zu rühren, ganz egal, was geschah, aber er war nicht sicher, wie weit er sich auf Frederic verlassen konnte. Der junge hatte sich verändert, seit sie Constäntä verlassen hatten, und Andrej war mit jedem Tag weniger sicher, ob ihm diese Veränderung gefiel. Etwas polterte. Andrej fuhr erschrocken zusammen, bevor ihm klar wurde, das der Lärm nicht in seiner unmittelbaren Nähe, sondern irgendwo über seinem Kopf seinen Ursprung hatte. Hinter einer der beiden Türen, die rechts und links des schmalen Ganges abzweigten, war Abu Dun. Er umschloss sein Schwert fester, öffnete wahllos die Tür auf der linken Seite und betrat den Raum. Er hatte Glück. Der Raum war winzig und er wirkte noch kleiner, denn er war bis zum Bersten gefüllt mit Kisten, Truhen, Säcken und Bündeln. Eine kleine, aber anscheinend aus purem Gold gefertigte Öl-lampe, die unter einem schwarzen Rußfleck an der Decke hing, spendete flackerndes, rotes Licht, das gerade ausreichte, den Raum mit hin- und herhuschenden Schatten und der Illusion von Bewegung zu erfüllen. Es gab nur ein winziges, mit buntem Bleiglas ge-fülltes Fenster. Abu Dun lag - nackt bis auf eine knielange baum-wollene Hose - auf einer schmalen, aber mit Seide bedeckten Liege direkt unterhalb des Fensters und schlief. Er schnarchte mit offe-nem Mund. Auf einem kleinen Tischchen neben ihm stand ein bau-chiger Weinkrug, daneben lag ein umgestürzter Trinkbecher, der ebenfalls aus Gold bestand und reich mit Edelsteinen und kunstvollen Ziselierungen bedeckt war. Roter Wein war ausgelaufen und bildete eine klebrige, dunkel glitzernde Lache. Abu Dun schien es mit den Suren des Korans nicht allzu genau zu nehmen, was die kleinen Annehmlichkeiten des Lebens anging. Er war allerdings nicht annähernd so betrunken, wie Andrej gehofft hatte. Obwohl Andrej so gut wie keinen Laut verursachte, öffneten sich Abu Duns Lider mit einem Ruck. Er brauchte nur den Bruchteil eines Atemzuges, um die Situation zu erfassen und richtig zu reagieren. Sofort sprang er in die Höhe und griff nach dem Weinkrug auf dem Tisch neben sich, um ihn nach Andrej zu werfen. Andrej machte keinen Versuch, dem Wurfgeschoss auszuweichen, sondern brachte mit einer blitzartigen Bewegung das Schwert in die Höhe. Gleichzeitig trat er gegen den Tisch. Der Krug prallte mit solcher Wucht gegen das Schwert, das ihm die Waffe aus der Hand gerissen wurde, aber auch Andrejs Angriff zeigte Wirkung. Der Tisch kippte um. Die Kante aus hartem Eichenholz prallte gegen Abu Duns Knie und brachte ihn zu Fall. Der riesenhafte Pirat kippte mit einem Schmerzensschrei zur Seite und Andrej nutzte die winzige Chance, die sich ihm bot, und stürzte sich auf ihn. Eine Mischung aus Überraschung, Schrecken und Verachtung blitzte in Abu Duns Augen auf.
    Der Pirat war mehr als eine Handbreit größer als Andrej - und viel breitschultriger. jetzt, als Andrej ihn nahezu unbekleidet sah, wurde ihm erst bewusst, wie muskulös und durchtrainiert der Sklavenhändler war: ein Bär von einem Mann, gegen den er mit bloßen Händen nicht die Spur einer Chance hatte. Abu Dun schien seine Meinung zu teilen, denn er erwartete gelassen seinen Angriff. Andrej beging nicht den Fehler, sich nach dem Schwert zu bücken, das er fallen gelassen hatte, sondern rammte Abu Dun das Knie ins Gesicht. Der Pirat keuchte vor Schmerz und kippte nach hinten, um-schlang Andrej aber trotzdem in der gleichen Bewegung mit beiden Armen und riss ihn mit sich. Andrej ächzte, als er spürte, das er den Piraten falsch eingeschätzt hatte: Er war viel stärker, als er geglaubt hatte. Andrej wurde in die Höhe gerissen und rang nach Luft. Seine Rippen knackten. Er spürte, wie zwei oder drei brachen. Der bittere Kupfergeschmack von Blut füllte seinen Mund und der Schmerz wurde für einen Moment so
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