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Der Vampyr

Titel: Der Vampyr
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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langsamen Schritten zur anderen Seite des Schiffes aus und lehnte sich lässig gegen die Reling. Sein Herz klopfte. Er versuchte den Wächter unauffällig aus den Augenwinkeln heraus zu beobachten. Seine Hand fingerte nervös am Griff des Schwertes herum, das er so hielt, das es nicht zu sehen war. Irgendetwas stimmte nicht. Er spürte es. Der Großteil der Mannschaft lag auf einem niedrigen Aufbau und schlief; ein paar schnarchten so laut, das er es deutlich hören konnte. Der Posten, der sich nun herumdrehte, bewegte sich auf eine Art, die zeigte, das er zum Umfallen müde war und darum kämpfte, nicht im Gehen einzuschlafen. Alles schien in Ordnung. Aber das war es nicht. Irgendetwas war hier nicht so, wie es zu sein vorgab. Eine Falle? Andrej konnte keinen Grund dafür erkennen. Abu Dun konnte nicht wissen, das er hier war. Der Pirat war der Falle, die Graf Bathory ihm gestellt hatte, durch ein geradezu geniales, allerdings auch mehr als riskantes Se-gelmanöver entkommen. Er hatte sofort Kurs auf den Bosporus genommen, als wolle er durch das Marmarameer die Ägäis ansteuern und direkt auf die großen arabischen Sklavenmärkte zuhalten.
    Doch dann hatte er sein gedrungenes Frachtschiff eine überraschende Wende vollziehen lassen, um geradewegs wieder nach Norden zu steuern: An Constäntä vorbei, das sie erst kurz zuvor verlassen hatten, und bis hoch ins Donaudelta hinein. Offenbar wollte er flussaufwärts Richtung Tulcea fahren, eine Stadt, die fast so alt wie Rom war und durch ihre günstige Lage den Zugang zu allen drei Donauarmen kontrollierte. Frederic und er hatten das Schiff fast eine Woche lang vom Ufer aus verfolgt, immer in siche-rem Abstand, um von den Piraten an Bord nicht entdeckt zu werden - was alles andere als einfach war, denn das Donaudelta war ein verwirrend großes Gebiet ineinander verwobener Wasserwege, Seen, von Schilf bedeckter Inseln, tropischer Wälder und Sanddü-
    nen. Das Schiff war sehr langsam in den unteren der drei Donauarme hineingefahren und hatte einmal sogar fast einen halben Tag auf der Stelle gelegen, sodass Andrej vermutete, das der Pirat und Sklavenhändler auf jemanden wartete; vielleicht auf einen anderen Piraten, vielleicht auch auf einen Kunden, dem er seine lebende Fracht verkaufen wollte. Aber so weit würde Andrej es nicht kommen lassen. Der Wächter rief ihm irgendetwas zu, was Andrej nicht verstand; es mußte Türkisch oder auch Arabisch sein, die Sprache einer der beiden Völker, aus denen sich der größte Teil der Besatzung rekrutierte. Immerhin hörte er den scherzhaften Ton heraus, hob die linke Hand und gab ein Grunzen von sich, von dem er wenigstens hoffte, das es als Antwort genügte. Offensichtlich verfehlte es seine Wirkung nicht, denn der Mann lachte nur und setzte seinen Weg fort. Andre atmete auf. Er konnte hier an Deck keinen Kampf anzetteln. Ganz gleich, wie schnell er den Piraten auch tötete, er konnte nicht ausschließen, das der noch einen Warnschrei ausstieß, der die schlafenden Männer auf dem Achterdeck weckte. Aber die Wache ging vorüber, ohne weitere Notiz von ihm zu nehmen, und nach einem kurzen Augenblick setzte Andrej seinen Weg fort.
    Nachdem er durch die falsche Luke geklettert war, hatte er zumindest eine ungefähre Vorstellung davon, wie es unter Deck des Schiffes aussah. Er hatte Abu Dun mehrmals aus der Ferne dabei beobachtet, wie er in der Luke verschwand oder auch daraus auf-tauchte, einmal nur zur Hälfte bekleidet. Deshalb hatte er angenommen, der Mann schliefe dort, wo in Wirklichkeit die Sklaven untergebracht worden waren. Diesen Fehler galt es jetzt zu korrigie-ren. Trotzdem mußte Abu Duns Quartier sich dort unten befinden.
    Er bewegte sich schnell und lautlos die Treppe hinunter und blieb kurz stehen, um sich zu orientieren was in der herrschenden Dunkelheit allerdings fast unmöglich war. Er befand sich in einem schmalen, nur wenige Schritte langen Gang, der so niedrig war, das er nur gebückt darin stehen konnte. Der Gang endete vor einer Wand aus massiven Balken, die ihm eigentlich viel zu wuchtig für ein relativ kleines Schiff wie dieses schienen, bis er begriff, das er nun auf der anderen Seite des Sklavenquartiers stand, das offensichtlich den Großteil des gesamten Rumpfes einnahm. Die Erkenntnis erfüllte ihn mit neuem Zorn, denn sie bedeutete nichts anderes, als das Abu Dun keineswegs nur ein Pirat war, der in der Wahl seiner Beute nicht sonderlich wählerisch war. Dieses Schiff war eigens für den Transport
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