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Der Vampir der mich liebte

Der Vampir der mich liebte

Titel: Der Vampir der mich liebte
Autoren: Charlaine Harris
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zwar, sechsunddreißig zu sein, aber ich habe da so meine Zweifel. Und wir sind schon befreundet, seit wir gemeinsam bei Merlotte's anfingen, nachdem Sam die Bar gekauft hatte, vor etwa fünf Jahren.
    »Na komm, sag schon«, redete Arlene mir zu. Sam legte den Arm um mich. Kenya lächelte, verschwand aber in die Küche, um sich ein bisschen mit Tack zu unterhalten.
    Ganz impulsiv nannte ich ihnen plötzlich meinen Wunsch. »Ich möchte nicht noch mal zusammengeschlagen werden«, sagte ich. Meine Müdigkeit und die späte Stunde in Kombination führten zu einem höchst unangebrachten Ausbruch von Ehrlichkeit. »Ich will nicht wieder ins Krankenhaus und ich will zu keinem Arzt mehr gehen müssen.« Und ich wollte auch kein Vampirblut mehr zugeführt bekommen, das einen in Windeseile heilte, aber verschiedenste Nebenwirkungen hatte. »Mein guter Vorsatz lautet also, mich von allem Ärger fern zu halten.«
    Arlene sah mich ziemlich schockiert an, und Sam wirkte - nun, Sams Reaktion konnte ich nicht richtig einschätzen.
    Doch da ich Arlene umarmt hatte, umarmte ich jetzt auch ihn und spürte die Stärke und Wärme seines Körpers. Man denkt, Sam wäre schmal gebaut, solange man ihn nicht mal mit freiem Oberkörper Vorratskisten hat schleppen sehen. Er ist richtig stark und ganz ebenmäßig gebaut, und er hat eine sehr hohe natürliche Körpertemperatur. Ich spürte, wie er mir einen Kuss aufs Haar drückte, und dann sagten wir alle gute Nacht zueinander und gingen zur Hintertür hinaus. Sams Truck parkte vor seinem Wohnwagen, der im rechten Winkel zu Merlotte's Bar dastand, doch für die Fahrt zur Bank stieg er in Kenyas Streifenwagen. Sie würde ihn auch wieder nach Hause bringen, und dann konnte Sam zusammenklappen. Er war seit unzähligen Stunden auf den Beinen, wie wir alle.
    Als Arlene und ich unsere Autos aufschlossen, bemerkte ich, dass Tack in seinem alten Pick-up wartete. Ich hätte darauf wetten mögen, dass er Arlene nachfahren würde.
    Mit einem letzten »Gute Nacht!«-Ruf durch die kühle Stille dieser Louisiana-Nacht trennten wir uns und begannen jeder unser neues Jahr.
    Ich bog ab auf die Hummingbird Road, die mich zu meinem Haus führen würde, das ungefähr drei Meilen südöstlich der Bar liegt. Es war eine ungeheure Erleichterung, endlich allein zu sein, und ich spürte, wie ich mich geistig entspannte. Meine Scheinwerfer huschten über die dicht an dicht stehenden Baumstämme der Kiefern, die das Rückgrat der Holzindustrie dieser Gegend waren.
    Die Nacht war extrem dunkel und kalt. Und es gibt natürlich keine Straßenlaternen auf den Landstraßen da draußen. Kein Lebewesen rührte sich, weit und breit nicht. Obwohl ich mir immer wieder sagte, dass ich auf Wildwechsel gefasst sein musste, fuhr ich wie auf Autopilot. Meine Gedanken wurden von der simplen Vorstellung beherrscht, mein Gesicht abzuschrubben, mir mein wärmstes Nachthemd anzuziehen und ins Bett zu klettern.
    Irgendetwas Weißes leuchtete auf im Kegel der Scheinwerfer meines alten Autos.
    Ich keuchte auf, mit einem Ruck aus meinem schläfrigen Wunschtraum von Wärme und Ruhe herausgerissen.
    Ein rennender Mann: Um drei Uhr morgens am ersten Januar rannte er die Landstraße entlang, und offenbar rannte er um sein Leben.
    Ich drosselte das Tempo und überlegte, was ich tun sollte. Ich war eine unbewaffnete Frau und allein unterwegs. Wenn irgendetwas Furchtbares hinter ihm her war, würde ich vielleicht auch dran glauben müssen. Andererseits lag es mir nicht, jemanden leiden zu lassen, wenn ich helfen konnte. Im Bruchteil einer Sekunde nahm ich wahr, dass der Mann groß, blond und nur mit einer Jeans bekleidet war, ehe ich neben ihm anhielt. Ich beugte mich hinüber, um das Fenster der Beifahrerseite herunterzukurbeln.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, rief ich. Er warf mir einen panischen Blick zu und rannte weiter.
    Doch in diesem Moment erkannte ich ihn. Ich sprang aus dem Auto und lief hinter ihm her.
    »Eric!«, schrie ich. »Ich bin's!«
    Er fuhr herum und fauchte mit gebleckten Fangzähnen. Ich blieb so abrupt stehen, dass ich fast das Gleichgewicht verlor, die Hände von mir gestreckt in einer Geste des Friedens. Wenn Eric sich zum Angriff entschlossen hatte, war ich eine tote Frau. So viel dazu, die gute Samariterin spielen zu wollen.
    Warum erkannte Eric mich nicht? Ich kannte ihn doch nun schon seit vielen Monaten. Er war Bills Boss in dieser komplizierten Vampir-Hierarchie, die ich allmählich zu begreifen lernte. Eric war der
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