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Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse
Autoren: Fred Vargas
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hatte.
    »Aber er ist im Augenblick nicht da«, ergänzte sie. »Anscheinend hat er ein Quartier an seiner Arbeitsstelle. Manche haben eben Glück.«
    Louis hielt das Ohr ein paar Minuten an die Tür, ohne irgend ein Geräusch zu hören. Er klopfte mehrmals und ließ es schließlich bleiben.
    »Wenn ich Ihnen sage, daß er nicht da ist«, brummte die Frau verärgert, »dann ist er nicht da.«
    Nach mehrfachem Umsteigen erreichte Louis schließlich das Kommissariat von Loisel; die Flasche Sancerre hatte er immer noch in der Hand. Jetzt kam es darauf an, Loisel auf die drei Straßen anzusetzen, ohne von Clairmont oder dem ›Schnitter‹ zu reden und damit Sand ins Getriebe zu streuen. Über die beiden Toten von Nevers würde er allerdings reden müssen. Früher oder später würde Loisel von der Vergewaltigung im Park erfahren, wenn das nicht schon geschehen war. Ihn von Clements Fährte ablenken, nachdrücklich auf das Gedicht verweisen, auf die schwarze Sonne. Den besten Angriffswinkel finden - das alles würde nicht leicht sein, Loisel war kein Dummkopf.
    »Hast du was Neues über die Spuren auf dem Teppich?« fragte Louis, als er sich seinem Kollegen gegenübersetzte.
    Loisel hielt ihm eine seiner Strohhalmzigaretten hin.
    »Nichts. Es sind ganz sicher Fingerspuren, das ist alles. Keinerlei ungewöhnliche Substanz im Teppich.«
    »Keine Spuren von Lippenstift?«
    Loisel runzelte die Stirn und stieß den Rauch aus.
    »Spielst du womöglich ein bißchen einsamer Jäger, Deutscher?«
    »In wessen Interesse sollte das liegen? Ich bin nicht mehr im Dienst, ich sag's dir noch mal.«
    »Was ist das für eine Geschichte mit deinem Lippenstift?«
    »Genaugenommen weiß ich nichts. Ich glaube, daß der Mörder schon einige Leute erledigt hat, bevor er sich als ›Fachmann‹ auf die Hauptstadt gestürzt hat. Angefangen bei einer gewissen Nicole Verdot, die er nach einer Vergewaltigung rasch aus dem Weg geräumt hat, und einen Herve Rousselet, seinem Komplizen bei der Vergewaltigung, der beinahe ausgepackt hätte. Man kann fast glauben, daß er Spaß an der Sache gefunden hat: Nicht ganz ein Jahr später hat er eine zweite junge Frau namens Claire Ottissier erwürgt und zerstochen. Die Namen findest du in der Kartei der unaufgeklärten Fälle.«
    »Und wo?« fragte Loisel, der einen Stift in der Hand hielt und ein Blatt von seinem Block riß.
    »Wo, glaubst du, kann das stattgefunden haben?«
    »In Nevers?«
    »Ganz genau. Es ist jetzt neun beziehungsweise acht Jahre her.«
    »Clement Vauquer«, flüsterte Loisel.
    »Er ist nicht der einzige Mann in Nevers. Aber er war tatsächlich bei der Vergewaltigung anwesend. Na, du wirst es so oder so erfahren, da ist es mir schon lieber, es kommt von mir. Er war Retter und einfacher Zeuge, weder Vergewaltiger noch Mörder.«
    »Sei nicht blöd, Deutscher. Verteidigst du den Typen?«
    »Nicht unbedingt. Ich denke nur, daß er sich uns ein bißchen zu schnell aufgedrängt hat.«
    »Bis auf weiteres hat sich mir niemand aufgedrängt. Wo hast du das alles her?«
    »Der Fall Claire Ottissier hat in meinem Archiv rumort. Dasselbe Schema, wie man so sagt.«
    »Und der andere? Die Vergewaltigung?«
    Louis hatte die Frage vorausgesehen. Loisels Ton war schneidend, seine Züge starr.
    »Im Lokalblatt. Ich habe ein bißchen recherchiert.«
    Loisel knirschte mit den Zähnen.
    »Warum? Was hast du gesucht?«
    »Die Erklärung für einen möglichen Haß auf diesen Vauquer.«
    Loisel erwiderte zunächst nichts.
    »Und der Lippenstift?« fragte er dann.
    »Bei dem Mord an Claire Ottissier gab es einen Zeugen. Ich habe ihn gestern in Nevers befragt.«
    »Verschwende nur ja keinen überflüssigen Gedanken an uns!« Der Kommissar explodierte. »Ich vermute, daß mein Telefon die ganze Zeit besetzt war und du's nicht geschafft hast, mich zu erreichen?«
    Louis legte seine Hände flach auf den Tisch und stand ruhig auf.
    »Ich mag deine Art nicht, mit mir zu reden, Loisel. Ich habe nie die Angewohnheit gehabt, detaillierte Protokolle meiner Ermittlungen zu verfassen. Jetzt, wo ich mir über eine Reihe von Dingen sicher bin, komme ich und teile sie dir mit. Wenn dir diese Vorgehensweise mißfällt und dich meine Informationen nicht interessieren, dann verziehe ich mich, und du siehst, wo du bleibst.«
    Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor, dachte Louis, der diesen Spruch ansonsten nie besonders gemocht hatte.
    »Sag schon«, sagte Loisel nach kurzem Schweigen.
    »Dieser Zeuge, Bonnot, hat gesehen,
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