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Der unsichtbare Zweite

Der unsichtbare Zweite

Titel: Der unsichtbare Zweite
Autoren: Carlo Fruttero
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stimmen die Namen, die Tatsachen sind immer falsch oder so hingedreht, wie es euch gerade passt. Tatsachen sind Tatsachen, wir zeigen sie den Zuschauern, das ist alles. Das habe ich schon gehört, lacht der andere verächtlich, aber ihr würdet ja selbst das Pferd da so aufmachen, dass es schließlich ein Kamel wird und alle das glauben.
    Unbestreitbar war da ein Pferd, das auf einer kleinen Koppel das Gras abweidete, aber als ich wieder auf den Zwergbildschirm sah, war da ein Minisprecher der Fernsehnachrichten, die Stimme kam und ging, krächzte unter lauten Störungen. Man sah einen Krankenwagen in ein Krankenhaustor fahren. »Der Zustand des sechsundachtzigjährigen Rentners, der brutal ...« Brummen, Krächzen, dann: »... als zwei bewaffnete und maskierte Banditen in die Ba ...« Brummen, während man den Eingang einer Bank sah und einen Polizisten, der Kreise auf den Boden malte. Eine Frau krächzte etwas in ein Mikrophon und zeigte mit dem Finger auf eine Allee. »... die Polizei hat das Feuer auf den Wagen der Banditen eröffnet, der kurz darauf...« Man sah einen halb zusammengedrückten Golf am eisernen Rollladen eines Geschäfts kleben und einen Polizisten, der seinen Finger in die (unsichtbaren) Einschusslöcher steckte. »... der getötete Bandit ist noch nicht identifiziert worden, der schwerverletzte Fahrer der Bande befindet sich jetzt ...« Sehr lange Tonstörung, während Miniaturen fröhlicher Hügel, Weinberge, Olivenhaine, Felder, Wäldchen vorüberzogen. »... der dritte Bandit konnte seine Spur ...« Krächzen. »... im ganzen Gebiet ist eine gigantische Verfolgungsjagd im Gange, die ...« Ausgedehntes Knistern, begleitet von ausgedehntem Fluchen des Neapolitaners.
    Das war der Moment, als mir der erste Verdacht kam.
    »Das wird doch nicht wegen dieses Überfalls sein, dass die Karabinieri uns angehalten haben? Die Gegend da sah doch ein bisschen aus wie hier, nicht?«
    »Nein, Slucca, halt deine Phantasie im Zaum, das waren Archivbilder, so etwas kommt dauernd vor, in der Redaktion wird eine piemontesische Landschaft gebraucht, du hast gerade keine zur Hand und nimmst eben eine toskanische, darauf achtet sowieso kein Schwein.«
    »Aber dieser Überfall, wo ist der passiert?«
    »Das habe ich nicht gehört, der Ton war schlecht.«
    Der Zwergsprecher versprach weitere Nachrichten über die gigantische Verfolgungsjagd und ging dann zum Thema Rom über, wo ein Gipfeltreffen zur Vorbereitung des Gipfeltreffens am kommenden Mittwoch stattgefunden hat. Einen Augenblick lang war Migliarini zu sehen, aber ein Brummen schnitt ihm brutal das Wort ab. Ich schaute auf die Uhr, und trotz des Gerüttels hatte ich plötzlich das Problem Halbeins, wie der Zyniker Vasone das zu nennen pflegt, d.h., um diese Zeit kriege ich Hunger.
    »Hier sind wir doch sozusagen auf freiem Feld«, sagte ich. »Könnten wir nicht ein Dorf oder so suchen, irgendein abgelegenes Lokal? Das ist eine Gegend, in der man sehr gut isst.«
    Sie antworten mir nicht einmal, die vorgebeugte junge Frau malträtiert weiter das Lenkrad, der Wasserhahnreisende klammert sich weiter an seinen Sitz und schwitzt immer mehr. Hang hinunter, Hang hinauf, Feldwege, Felder, immer so fort.
    »Ich habe gesagt ...«
    »Ruhig, Slucca, sei brav, bald sind wir draußen.«
    »Wo draußen?«
    »Der Kreis schließt sich, Slucca, und ich will euch da rausbringen.«
    »Gut«, murmelt der Neapolitaner. »Ich verlasse mich auf Sie. Aber was für ein Kreis?«
    Stille, bis der Sprecher sich unterbricht (er berichtete gerade von gewissen Streikbestätigungen) und ansetzt, die versprochenen weiteren Nachrichten zu liefern, beziehungsweise unter Tonstörungen zu stottern. »... der Fluchtwagen, ein Kleintransporter, ist gefund ...« Brummen. »... der gefesselte und geknebelte Wasserbauingenieur im Wageninnern, der ...« Krächzen. »... soll in einen Geländewagen gestiegen sein, der kurz darauf an einer Straßensperre in halsbrecherischer Flucht...« Krächzen, dem der Neapolitaner mit einem furzähnlichen Geräusch mit dem Mund antwortet, während auf dem Bildschirm ein Fahndungsfoto im Briefmarkenformat erscheint, eine winzig kleine Zuchthäuslervisage.
    »... der Ausbrecher ist ein äußerst gefährlicher Krimineller aus Neapel, mehrmals wegen Überfällen, versuchten Mordes, Nötigung, Zuhälterei und Menschenraub verurteilt ...«
    »Jetzt reicht's!« schreit Rossi, und blitzschnell reißt er den Reißverschluss auf, fasst in die Sporttasche und zieht eine
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