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Der unsichtbare Feind (German Edition)

Der unsichtbare Feind (German Edition)

Titel: Der unsichtbare Feind (German Edition)
Autoren: Nate Reynolds
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Wohnung.
    „Also ein Toter“, dachte er wenig
überrascht, „der Dritte diese Woche.“
    Mit einem hellen „Bing“ glitt
die Fahrstuhltür zur Seite. Dahinter stand ein älteres Ehepaar. Stark kannte
sie nur flüchtig, sie bewohnten eine der Wohnungen in den unteren Stockwerken.
    Eine schimmernde Glatze
ragte auf dem fleischigen, von roten Flecken dominierten Gesicht des Mannes,
während seine Frau eine schwarz gefärbte, dauergewellte Mähne trug und
knallroten Lippenstift, großzügig auf ihren Zähnen verteilt, aufgelegt hatte.
    Den erstickenden Geruch von
Haarspray unterdrückend, grüßte Stark höflich, bevor er eintrat und „E“ für
Erdgeschoß auf dem Panel drückte.
    Stark trat in den heißen,
schwülen Sommermorgen und ging schnellen Schrittes über den Neuen Markt. Im
beginnenden Morgengrauen erblickte er die orange Fassade der Kapuzinerkirche,
in deren Gruft die Gebeine der habsburgischen Herrscher Österreichs der letzten
vierhundert Jahre ruhten. Vor langer Zeit, als Stark neu in die Stadt gekommen
war, genoss er eine Führung durch die makabere Welt der Herrschergruft. In
mehreren Räumen waren die prunkvollen Särge der verstorbenen Regenten und deren
Familien aufgebahrt und über die Jahrhunderte gut erhalten geblieben. Das
Spektrum der beigesetzten Monarchen reichte von Kaiser Matthias, dem Gründer
der Gruft, über Maria Theresia, die als erste Herrscherin Europas bereits im
achtzehnten Jahrhundert die Schulpflicht eingeführt hatte, bis hin zu Kaiser
Franz Josef und dessen Gemahlin Sisi, der die Ungarn heute noch Blumen an den
Sarg legten und zu guter Letzt – Zita, die letzte Kaiserin Österreichs.
    Als Stark damals die Gruft
wieder verlassen hatte, zog ihn das gegenüberliegende altbürgerliche Wohnhaus,
mit dessen lachsfarbener Fassade und dem Kirschholztor, in dem sich die Sonne
spiegelte, in seinen Bann. Angesiedelt im ersten Wiener Gemeindebezirk, stand
das antike Gebäude für Beständigkeit und Schönheit gleichermaßen. Ein
jahrhundertealtes, gut saniertes Gebäude in Wiens Altstadt, am neuen Markt, nur
einen Steinwurf vom Stephansdom entfernt. Genau das, was er sich vorgestellt
hatte.
    Stark schüttelte die alten Erinnerungen
ab, ging zu seinem Parkplatz und setzte über die Tür seines in rotem Lack und
Chrom gehaltenen Ford Mustang Cabriolet, Baujahr 1965.
    Als er den Zündschlüssel im
Schloss drehte, begann der V8 Motor tief zu röhren. Stark liebte den Klang
seines Autos fast so sehr, wie er die klassische Musik liebte, eine seltsame
Kombination. Aber eben das war es, was Gabriel Stark unverkennbar machte,
Gegensätze mussten sich bei ihm nicht immer ausschließen.
    Er fuhr am Donnerbrunnen,
einem Monument aus dem achtzehnten Jahrhundert, vorbei, steuerte seinen Wagen
in die Plankengasse und verließ den ersten Bezirk in Richtung Hietzing.
    Während er Wien in südliche
Richtung durchfuhr, drehte er an dem Stellrad seinen Radios, bis er klaren
Empfang hatte.
    Die Stimme aus den fünf Lautsprecherboxen,
Stark hatte sie letztes Jahr für viel Geld nachrüsten lassen, erklang in hellem,
rauschfreiem Ton: „Hallo und guten Morgen. Hier ist noch einmal Sandra Müller
mit Nachtflug. Es ist jetzt genau 04:45. Unser Thema, für diejenigen, die
gerade erst zugeschaltet haben, sind die grauenhaften Morde an zwei wohlhabenden
Bürgern Wiens. Unbestätigten Meldungen zufolge soll der Heroinkiller heute
Nacht ein weiteres Mal zugeschlagen haben.“
    „Toll, jetzt hat der Typ
sogar schon einen Künstlernamen! Wird Zeit, dass ich die Sache zu einem Ende
bringe“, grummelte Stark vor sich hin.
    Unverdrossen fuhr die
Moderatorin fort: „In Wien liegen die Nerven blank, vor allem in der High
Society der Stadt. Psychologen warnen eindringlich vor weiteren Opfern. Bei mir
ist Professor Hagendorf, Psychoanalytiker der Universität Wien, guten Morgen
Professor und danke, dass Sie sich zu so früher Stunde Zeit für uns genommen
haben.“
    „Sehr gerne“, erwiderte der
distanziert wirkende Mann knapp.
    Die Moderatorin fuhr fort:
„In der Leitung habe ich nun Gunter.“
    Nach einer kurzen Pause, in
der die Moderatorin den Anrufer ins Studio schaltete, sprach sie: „Hallo
Gunter.“
    „Hallo Sandra“, meldete sich
selbstbewusst ein Mann, der Stimme nach mittlerem Alter, wie Stark vermutete.
    „Gunter, du bist nun live
auf Sendung. Welche Frage möchtest du dem Professor stellen?“
    „Nun ja“, antwortete er,
„Ich würde gerne wissen, wann dieser Wahnsinnige endlich geschnappt
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