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Der unsichtbare Feind (German Edition)

Der unsichtbare Feind (German Edition)

Titel: Der unsichtbare Feind (German Edition)
Autoren: Nate Reynolds
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Ohr. Vanessa trug ein knöchellanges,
weißes Schlafkleid, das mit Spitzen am Kragen besetzt war. Sie sah ihm tief in
die Augen.
    Gabriel war glücklich wie
lange nicht. Achtzehn Jahre hatte er nach seiner Schwester gesucht und nun saß
sie neben ihm.
    „Wo warst du all die
Jahre?“, wollte er von ihr wissen.
    Vanessa lächelte ihn an.
    „Vater und ich haben nach
dir gesucht. Irgendwann hat Vater aufgegeben, die Leute haben auf ihn
eingeredet, haben ihn überzeugt, dass du tot bist. Irgendwann hat er es
schließlich geglaubt.“
    In Gabriels Augen spiegelte
sich Trauer wieder: „Aber ich wollte nie aufgeben, ich konnte es nicht. Bis
nach Wien hat mich meine Suche nach dir geführt.“
    Vereinzelte Gewitterwolken
zogen am Himmel auf. Die laue Brise, die ihn zuvor warm umwabert hatte, schien
um eine Nuance kühler.
    „Weißt du, Vanessa, ich habe
es immer sehr genossen, mit dir hier zu sitzen, über Paul Greiner und seine
dumme Schwester zu lästern …“, Stark lachte herzhaft.
    „Das Beste kommt aber erst“,
fuhr er unverdrossen fort, „ich bin jetzt Polizist bei der Mordkommission. Ich
lebe in Wien und fahre mein Traumauto. Weißt du noch welches es war?“
    Vanessa nickte, dann
streckte sie die Hand aus und streichelte über seine Wange.
    „Und noch etwas ist
passiert“, tratschte er, „ich habe eine Frau kennengelernt. Sie ist Doktorin.
Kannst du dir mich mit einer Doktorin vorstellen? Sie hat langes, braunes Haar,
einen sportlichen Körper, weibliche Rundungen, ich muss euch unbedingt
vorstellen.“
    Ein Donnerschlag krachte in
weiter Ferne über den Himmel. Das Echo hallte von den Bergen wieder.
    Gabriel seufzte: „Eines muss
ich dich noch fragen.“
    Er richtete seinen Blick auf
den Boden: „Bist du mit deinem damaligen Freund davongelaufen?“
    Nur zögerlich wagte er, Augenkontakt
mit seiner Schwester aufzunehmen.
    Vanessa schüttelte vehement
den Kopf.
    Heftiger Wind kam auf. Ihr
Haar peitschte in den Böen. Gabriel genügte das schlichte Kopfschütteln nicht.
Er versuchte ruhig zu bleiben, aber der Kummer, der sich in all den Jahren
angestaut hatte, drängte nach außen. Seine Schwester war seit achtzehn Jahren
verschwunden und nun saß sie neben ihm, ohne Erklärung oder Entschuldigung. Er
wollte doch einfach nur wissen, was damals passiert war.
    Ein Blitz erleuchtete den
von Gewitterwolken verdunkelten Himmel. Die Pferde hatten sich längst in ihren
Unterstand verkrochen, die Äste der alten Eiche peitschten im Wind wild umher. Gabriel
nahm keine Notiz von all dem. Unsicher, was er tun sollte, starrte er seine
Schwester an.
    „Ich verstehe das alles hier
nicht“, sagte er mehr zu sich selbst, als zu Vanessa.
    Dann nahm er sich ein Herz,
umschloss ihre schmalen Hände mit seinen eigenen und rief laut: „Wo warst du
dann?“
    Vanessa löste seinen Griff
und deutete an den Rand der Wiese. Gabriel folgte ihrem Zeigefinger. Ein
einsames Kreuz aus zwei alten Latten und rostigen Nägeln gezimmert, steckte in
matschiger Erde. Seine Augen weiteten sich geschockt. Dann wandte er sich
wieder um. Wo war seine Schwester? Gerade eben hatte sie doch noch neben ihm
gesessen.
    Dann wurde es wieder schwarz
um ihn und Stille kehrte ein.

Epilog
    Tanja saß am Rand des
Krankenhausbettes und beobachtete Stark. Vor zwei Wochen hatten ihn die Ärzte
in künstlichen Tiefschlaf versetzt, als letzte Maßnahme, sein Leben zu retten. Tanja
hatte keine Zeit gehabt die Vielzahl an Geschehnissen zu reflektieren und sie
wusste auch nicht, ob sie das überhaupt wollte. Sie hatte Stark als robusten,
dynamischen Mann kennengelernt, jemand den man alles zutraute und bei dem man
sich immer geborgen fühlte. Nun lag er auf dem Krankenbett vor ihr, sein Körper
abgemagert, das Gesicht zusammengefallen. Eine Unzahl an Monitoren und
Überwachungsgeräten waren um sein Bett arrangiert. Eine Nasensonde, die um
seine Ohren gespannt war, versorgte ihn mit Sauerstoff, während ein Clip am
Finger ständig seinen Puls überwachte.
    Tanja seufzte. Obwohl sie
die letzten zwei Wochen rund um die Uhr gearbeitet hatte, hatte sie es nicht
verabsäumt, ihm jeden Tag zumindest einen kurzen Besuch abzustatten.
    Die frischen Rosen, die sie
in einer Vase auf der Ablage neben seinem Bett arrangiert hatte, dominierten zu
ihrem Wohlgefallen den Geruch im Zimmer. Akribisch prüfte sie, ob der Polster,
auf dem Starks Kopf ruhte, vom Krankenhauspersonal auch gut aufgeschüttelte
war. Gabriel hatte schließlich das Recht weich zu liegen. Vor zwei Tagen
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