Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Unsichtbare Feind

Titel: Der Unsichtbare Feind
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Lebensmittelallergien?«
    Der Junge nickte heftig.
    »Gegen Nüsse?« Der häufigste Schuldige.
    Mehr Kopfnicken.
    »Du hast etwas mit Nüssen gegessen?«
    Der Junge verneinte es sofort, indem er heftig den Kopf schüttelte.
    Das Problem bei Nussallergien war, dass die Menschen das Allergen zu sich nehmen konnten, ohne es zu wissen, etwa wenn die Nüsse gemahlen waren und als Mehl in Backwaren benutzt oder in winzigen Stückchen zu Salaten oder Dips zugegeben wurden. Das war Steele klar. Ihm war auch klar, dass es zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht wichtig war, wie die Nüsse in seinen Patienten gelangt waren. Nachdem er die Möglichkeit erkannt hatte, dass sie gegessen worden sein könnten, fügte er zu seiner Liste schnell einen weiteren Feind hinzu, gegen den sie vielleicht würden kämpfen müssen – den anaphylaktischen Schock, einen Kreislaufkollaps, der nur als extreme Allergiereaktion auftrat. Ein rascher Blick auf einen der Monitore bestätigte, dass der Blutdruck des Teenagers fiel wie ein Stein. »Geben Sie ihm ein halbes Milligramm Adrenalin als Bolusinjektion«, ordnete er an. Das war jetzt das Mittel der Wahl.
    »Erledigt!«, sagte jemand.
    »Fertig zur Intubation«, erklärte die Assistenzärztin an seiner Seite. Sie hatte ein Laryngoskop in den Händen, die in Gummihandschuhen steckten, und ein Sortiment von Endotrachealtuben verschiedener Größe zur Einführung in die Luftröhre war auf einem Tablett neben ihr ausgebreitet.
    Steele hielt es ihr voll zugute, dass sie gewillt war, sich nicht unterkriegen zu lassen und die Aufgabe anzugehen, obwohl er sie so ungeheuerlich behandelt hatte. Er schämte sich noch mehr und sagte ruhig: »Sie machen das schon richtig, Doktor.«
    Innerhalb kürzester Zeit wirkten die Medikamente, die sie verordnet hatte, und nach ein paar Zuckungen war der Junge von Kopf bis Fuß betäubt. Die Assistenzärztin öffnete mit ihren Fingern ohne Schwierigkeiten seine erschlafften Kiefer. »Mein Gott, sehen Sie sich das an!«, rief sie aus, als sie den beleuchteten Metallspatel des Laryngoskops hineinschob: Die geschwollene Zunge des Jungen war so dick wie eine polnische Wurst.
    Steele sah aufmerksam von hinten zu, jederzeit bereit einzugreifen, sobald auch nur das kleinste Problem auftauchte.
    »Und die Speiseröhrenwände sind auch ödematös angeschwollen«, berichtete sie, während sie die Spitze der Lichtquelle zwischen den angeschwollenen rosafarbenen Schleimhäuten hindurchschob, die die ganze Zeit um ihr Instrument herum hervorquollen und ihr die Sicht versperrten.
    »Puls fünfzig. Blutdruck fünfundsechzig zu vierzig«, intonierte die Schwester, die sich um die Vitalfunktionen des Jungen kümmerte.
    Jeder im Raum wusste, dass der verlangsamte Herzschlag aus der Apnöe resultierte, aus seiner fehlenden Atmung, und dass sie den Schock seiner allergischen Reaktion noch verstärkte. Sie standen jetzt schweigend da und warteten darauf, dass die Assistenzärztin den Luftweg fand. Wenn sie ihn nicht schnell fand, so viel war klar, dann würden sie zusätzlich zu seinen Atemproblemen auch noch einen Herzstillstand behandeln müssen.
    »Können Sie die Stimmbänder sehen?«, fragte Steele in dem kühlen Ton, den er sich für die gespanntesten Situationen bewahrte.
    »Noch nicht«, antwortete sie, wobei ihre Stimme eine Oktave höher ausfiel. Dennoch blieb sie hartnäckig und fuhr fort, einen Saugkatheter in die geschwollene Öffnung zu tauchen und Pfützen aus Speichel abzusaugen, während sie vorsichtig das Licht weiter vorschob.
    Die Schwestern tauschten unruhige, wissende Blicke, und Steele machte sich bereit zu übernehmen.
    »Warten Sie, ich kann sie sehen«, verkündete sie aufgeregt.
    Steele beugte sich vor und bestätigte die Sichtung gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie sie den Saugkatheter zur Seite legte und entschlossen die Spitze eines Endotrachealtubus durch die V-förmige Öffnung zwischen den Stimmbändern des Patienten schob. »Jetzt geben Sie noch einmal intravenös Adrenalin per Bolusinjektion, geben Sie ihm die Bronchodilatoren per Aerosolmaske und zwanzig Minuten lang intravenös eine Infusion mit Solu-Medrol«, ordnete sie mit Autorität an, während sie Steele triumphierend anstrahlte.
    Er nickte ihr zustimmend zu und beobachtete dann, wie sie fachmännisch den Luftzugang fixierte, einen Beatmungsbeutel an den Haken hängte und ihn heftig pumpte.
    Er verließ den Raum in dem Bewusstsein, dass er in den kommenden Jahren verdientermaßen die Zielscheibe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher