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Der Unsichtbare Feind

Titel: Der Unsichtbare Feind
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des tödlichen Erregers zu verhindern. Die Geschichte ist um die ganze Welt gegangen.«
    »Ich erinnere mich, darüber gelesen zu haben!«, sagte ihr Student. »Glücklicherweise hat es keine weiteren Fälle gegeben.«
    »Bis jetzt«, stellte Julie fest, während sie mit festem Schritt zum Telefon ging, das an der Wand ihres Labors hing. Während sie die Nummer des CDC eingab und sich durch die unzähligen Vermittlungsstellen arbeitete, betrachtete sie das Gesicht des Studenten, das vor Erregung gerötet war. Wer weiß, ging es ihr durch den Kopf, vielleicht hat meine melodramatische Unterrichtsmethode genug Enthusiasmus in dem zukünftigen Arzt entfacht, dass er wenigstens seine Bücher liest.
    »Die Bestätigung durch genauere und länger dauernde Testprozeduren überlasse ich Ihnen«, teilte sie dem Virologen mit, der ihren Anruf entgegengenommen hatte. Das durch den Computer vergrößerte grüne Exemplar auf dem Bildschirm aus dem Lungengewebe, das sie mit dem ELISA-Reagens für H5N1 behandelt hatte, war für sie Beweis genug, dass die Hühnergrippe die Artengrenze ein weiteres Mal übersprungen hatte. »Wir werden hier mehr als genug damit zu tun haben, um seine Ausbreitung zu verhindern.«
    Die örtlichen Gesundheitsbehörden befürchteten sofort, dass das Virus durch einen menschlichen Überträger von einem neuen Ausbruch in Asien nach Hawaii eingeschleppt worden sein könnte. Aber dem CDC zufolge waren nach dem ursprünglichen Fall in Taiwan keine neuen Fälle dort oder irgendwo sonst auf diesem Planeten gemeldet worden. »Das bedeutet, dass die Quelle wahrscheinlich hier ist«, erklärte Julie einer hastig zusammengerufenen Versammlung ihres eigenen Personals samt einem halben Dutzend Epidemiologen von der medizinischen Fakultät Honolulu. »Wir werden jede Geflügel-Kooperative im Distrikt Kailua besuchen und Blutproben von allem nehmen müssen, das gackert, schnattert oder piepst.«
    Niemand am Tisch machte Einwände, und innerhalb von Stunden mobilisierten sie eine Truppe von Labortechnikern und Gesundheitsarbeitern außer Dienst, die diese Arbeit durchführen sollten. Die nachfolgenden Tests ergaben, dass der Ursprung der Mikrobe infizierte Hühner in einer kleinen Geflügelfarm waren, ganz in der Nähe von Sandra Arness' und Tommys Haus. Tommy, so erfuhren sie später, war manchmal zusammen mit seinem Babysitter hinübergegangen, um die Hühner zu füttern und mit ihnen zu spielen.
    Das Hühnerschlachten auf der Insel Oahu begann.

 
I W INTER
     

1
    Dreizehn Monate später
New York City Hospital
    Dr. Richard Steele fand, dass seine Schicht heute die schlimmste war, die er je in der Notaufnahme geleistet hatte. Im Vergleich zum Rest der Woche waren die Montage immer furchtbar. An diesem Tag kamen mehr Leute mit Herzanfällen und allen möglichen anderen medizinischen Krisen in die Notaufnahme – eine Tatsache, die ihm als Veteran mit zwanzigjähriger Erfahrung und langjährigem Chef der Abteilung wohl bekannt war. Aber der Marathon an diesem Montag erschien ihm besonders schwer, und den ganzen Nachmittag hatte er das Gefühl, immer einen Schritt hinterherzuhinken.
    Eine der Schwestern knallte den Hörer auf die Gabel und sprintete in den Behandlungsraum. »Gleich kommt ein Notfall herein – ein fünfzehnjähriger Asthmatiker!«, rief sie über die Schulter wie ein Quarterback, der einen Spielzug ausruft. Jedermann in Hörweite sprang auf, um ihr bei den Vorbereitungen zu helfen. Sie wussten alle sofort, was von ihnen erwartet wurde. An einer Unzahl von Patienten auf Liegen vorbei, die auf dem Korridor aufgereiht waren, hasteten sie hinter ihr her und umschifften dabei das Durcheinander von Infusionsständern und -flaschen und die Leitungen, die wie Spinnweben von der Decke hingen.
    Während Steele sie verschwinden sah, war ihm klar, dass ihnen nicht nur automatisch die Anweisungen für die Durchführung von Atemtests in den Sinn kommen würden. Das Alter des Patienten würde ihren Adrenalinspiegel noch mehr als ohnehin in die Höhe jagen. Die Aussicht, jemanden zu verlieren, der so jung war, verstärkte nur die Versagensangst in der Notaufnahme. Es würde seine Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass die zusätzliche Angst nicht die Leistung seines Teams beeinflusste. Irgendwann hatte er diese Bürde einfach als einen weiteren Teil seiner Arbeit akzeptiert. In letzter Zeit jedoch fiel ihm auf, dass er sich davor fürchtete. Während seine Fähigkeiten bei der Wiederbelebung so routiniert und
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