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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei
Autoren: Andrej Kurkow
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Kommandant Iwaschtschukin über dem Schnee.
    Dobrynin, mit einer Hand seinen Reisesack an sich drückend, spürte, wie ihn mächtige Arme umfassten, und ihm wurde wärmer, als wäre die Kälte unter dem Druck dieser mächtigen Arme gewichen.
    „Willkommen! Genosse Dobrynin! Ach, wie gut, du bist ganz zurückgekehrt!“, freute sich Dmitrij Waplachow, der letzte Urku-Jemze. Er stand neben dem Kommandanten.
    Glückliche Erregung erfüllte den Volkskontrolleur. Er trat einen Schritt vor und versuchte, seine beiden Freunde zugleich zu umarmen, doch die Arme waren zu kurz dafür, erst recht, da die Männer in dicken Pelzmänteln steckten.
    Nachdem sie im Stabsquartier den Schnee von Kleidern und Stiefeln geschüttelt hatten, betraten sie den Gebäudeteil, den Kommandant Iwaschtschukin bewohnte. In seinem Zimmer standen ein quadratischer Tisch, einige Stühle, ein auf unbekannten Wegen hierher gelangter Schaukelstuhl, sowie ein Eisenbett mit Stangen und runden Messingkugeln an Kopf- und Fußende.
    Der Tisch war festlich gedeckt.
    Der Pilot, der das Zimmer als letzter betrat, seufzte glücklich, als er die aufgereihten Flaschen und Konserven und den hohen Stapel von Schokoladetafeln sah, die gewöhnlich zur Kampfration von Panzerfahrern und Piloten ge-hörten.
    „Befehle, sich zu setzen!“, bellte Iwaschtschukin, und seine Stimme schallte froh und übermütig durch den Raum.
    Alle warfen ihre Pelzmäntel auf das Bett und setzten sich um den Tisch.
    „Da sind wir also wieder beisammen!“, sagte der Kommandant, schon im Sitzen, ruhig und gemütlich.
    Dann warf er einen Blick auf die beiden Soldaten, die gemeinsam mit ihnen hereingekommen waren. Sie standen in ihren Pelzmänteln da und starrten angespannt auf den Tisch.
    „Sergeant Warnabin und Schütze Sablin! Befehle, vom Fähnrich eine Flasche Trinkspiritus zu empfangen und festlich im engsten Soldatenkreis die Rückkehr des Genossen Dobrynin zu begehen.“
    „Jawohl!“, bellten der Sergeant und der Schütze, beschrieben einen Kreis und verließen das Zimmer.
    „Einschenken!“, fuhr Iwaschtschukin in demselben Schwung fort. „Auf das erste Glas wird weder nachgespült noch hinterher gegessen!“
    Seine Befehle wurden am Tisch strikt und widerspruchslos ausgeführt. Nach dem ersten Glas Trinkspiritus gelangte Dobrynin zu einer neuen Sicht der Dinge. Die Umrisse und Linien von Gegenständen und Menschen, die ihn umgaben, begannen sich aufzulösen und zu verschwimmen. Der Tisch wurde oval, er hatte sich auf unbekannte Weise von seinen eckigen Kanten befreit. Die Flaschen neigten sich, und vor Schreck, dass sie gleich von selbst umfallen würden, streckte Dobrynin seinen Arm nach der nächsten aus, um sie festzuhalten.
    Der umsichtige Urku-Jemze, der noch nach dem zweiten Glas vollkommen nüchtern war, verstand die Absichten des Volkskontrolleurs nicht, nahm einfach die Flasche zur Hand und füllte Dobrynins leeres Glas.
    Dobrynin nickte.
    Was danach kam, wusste er später nicht mehr. Aber allem Anschein nach zu schließen, hatte sich nichts Besonderes ereignet. Jedenfalls erwachte er auf einer Pritsche in der Ein-Zimmer-Soldatenkaserne, in drei Decken gut eingepackt und zusätzlich mit einem Soldatenmantel darüber zugedeckt. Im Aufwachen sah er sich mit noch trübem Blick um.
    Neben ihm schnarchte jemand, der sich eine Decke über den Kopf gezogen hatte.
    Der Volkskontrolleur fuhr mit der Hand unter die Pritsche, und zu seiner Freude ertastete er dort seinen Reisesack.
    Nach Aufstehen war ihm nicht zumute. Ohne hinzusehen, zog er das Büchlein aus dem Sack, schlug es, über sein gutes Gedächtnis selbst staunend, auf Seite sechsundfünfzig auf und begann zu lesen.

    LENIN UND DIE KATZEN
    Lenin liebte Katzen sehr. In Gorki, wo er sich nach seiner Verwundung erholte, gab es sehr viele streunende Katzen. Gewöhnlich ernährten sie sich in der Küche des Sanatoriums. Es fiel nicht viel für sie ab. Meist warf eine barmherzige Köchin dem ein oder anderen Kätzchen verstohlen einen Fischschwanz oder ein wenig Hühnergekröse hin. Doch der Chefkoch des Sanatoriums mochte die Katzen nicht und dachte sehr schlecht von ihnen. Er war der Ansicht, dass es vom medizinischen Standpunkt aus schädlich sei, streunende Katzen im Sanatorium zu haben. Und deshalb ließ er eine Sonderbrigade zum Einfangen streunender Haustiere aus Moskau kommen.
    Eines Tages traf um die Mittagszeit ein Spezialauto im Sanatorium ein – ein geschlossener schwarzer Kleinlastwagen. Vier starke Männer
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