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Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler
Autoren: Augusto Cury
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Stelle zu stehen. Es wollte einfach nur als Teil des Ganzen wahrgenommen werden.«
    Ich bemühte mich, zu verstehen, worauf der Traumhändler mit dieser Geschichte eigentlich hinauswollte.
    »Die anderen Teile des Hauses fielen daraufhin voller Verachtung über das Fundament her. Der Tresor, der vor Stolz fast platzte, polterte: ›Du blamierst uns nur – so dreckig, wie du bist!‹ Das Dach spöttelte hochmütig: ›Bisher hat noch nie jemand nach dem Fundament gefragt. Warum sollte man dich also erwähnen?‹ Die Gemälde erklärten arrogant: ›Mach dich nicht lächerlich! Du wirst doch wohl einsehen, dass du unter uns stehst!‹ Und die Möbel fragten verächtlich: ›Was willst du eigentlich? Hast du immer noch nicht gemerkt, wo dein Platz ist?‹ So wurde das Fundament von den anderen Teilen des Hauses gedemütigt und verlacht. Und da es nicht dazugehören sollte, beschloss es, das Haus zu verlassen.«
    An dieser Stelle fragte der Meister die Menge: »Und was glaubt ihr, war die Folge?«
    Im Chor schallte es ihm entgegen: »Das Haus stürzte ein!«
    »Genau! Das Haus stürzte ein – und dieses Haus war ich selbst! Ich war zusammengebrochen, weil ich mein Fundament missachtet hatte!
    In meinem Unglück lehnte ich mich gegen Gott auf und rief: ›Warum bleibst Du stumm? Warum tust Du nichts? Gibt es Dich etwa nicht? Oder sind Dir die Menschen egal?‹ Ich hatte mich gegen die Psychiater und Psychologen, gegen ihre Theorien und Medikamente gesträubt. Ich hatte mit dem Leben gehadert, weil es ungerecht und grausam war. Ich war gegen die Zeit angerannt. Kurz – ich hatte mich in einen Kampf gegen alles und jeden verstrickt. Aber als das Fundament sich meldete, hatte ich plötzlich eine Eingebung und verstand, wie sehr ich im Irrtum war. Ich verstand, dass ich mein Fundament missachtet und meine Prioritäten und obersten Werte beiseitegeschoben hatte.«
    Nach und nach lüftete der Meister durch die Schilderung den Schleier seines Geheimnisses. So hatte ihn die Interpretation seiner Wahnvorstellungen auf den Weg zu sich selbst gebracht. Der Tresor stand für die Macht des Geldes, die er übermäßig geschätzt, das Dach für seine intellektuellen Fähigkeiten, die er viel zu wichtig genommen hatte. Die Gemälde symbolisierten Ruhm und Prestige, die Möbel Luxus und Komfort in seinem Leben.
    »Doch ich hatte mein Fundament verraten. Meine Geschäfte hatten mich derart in den Bann gezogen, dass ich Frau und Kinder kaum noch Beachtung zuteilwerden ließ. Sie haben zwar alles von mir bekommen, nur nicht die Hauptsache, nämlich mich selbst. Auch meine Freunde mussten hinten anstehen, und Träume hatte ich keine mehr. Wie kann man ein guter Vater, Liebhaber und Freund sein, wenn die Menschen, die man liebt, nicht im eigenen Zeitplan vorkommen? Nur ein Heuchler mag glauben, dass das geht. Und ich war einer – ein allseits bewunderter und nachgeahmter großer Heuchler!«
    Unerschrocken gab der Traumhändler zu, dass er seine Fehler, sein Versagen, seine Torheiten kaschiert hatte, die zwar sein Fundament beschmutzten, auf denen jedoch gleichzeitig das Gerüst seiner Persönlichkeit ruhte. Jetzt verstand ich, was er meinte, wenn er sagte: »Wer seine Schwächen nicht zugibt, steht sich selbst und seiner Menschlichkeit gegenüber in großer Schuld.«
    Ich verstand außerdem, warum dieser Mann mich so mitgerissen hatte. Um zu mir durchzudringen hatte es mehr als einen gewöhnlichen Menschen gebraucht. Er hatte mehr sein müssen als nur ein Denker, ein glänzender Geist und ein Lehrer mit beeindruckendem Wissensschatz. Ein Mensch mit diesen Qualitäten hätte zwar meine Bewunderung geweckt, mich aber nicht gefangen genommen und es nicht geschafft, meinen Stolz zu brechen. Dies hatte nur jemand vermocht, der durch die dunkelsten Täler der Angst gewandert, im Sumpf psychischer und sozialer Konflikte stecken geblieben, von inneren Raubtieren zerfetzt worden war und sich in den Irrgärten des Wahnsinns verlaufen hatte. Und der sich dann mit ungewöhnlicher seelischer Stärke wieder aufgerichtet und auf der Grundlage seiner Erfahrungen ein neues Kapitel seines Lebens geschrieben hatte.
    Das, genau das war der Mann, dem ich immer aufs Neue folgen würde.
    Seine Gedanken waren präzise wie die eines Philosophen, und sein Humor war ansteckend wie der eines Clowns. Seine Reaktionen waren paradox und schwankten zwischen den Extremen. Er wurde von Ikonen der Gesellschaft aufgesucht, machte aber keinen Unterschied zwischen einer
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