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Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler
Autoren: Augusto Cury
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es um sehr viel Geld ging. Seine Familie und die Freunde hatten Verständnis, und der Reiseantritt wurde um einen Tag verschoben.
    Am nächsten Tag war jedoch dringend ein Geschäft abzuschließen, das sich schon einige Zeit hinzog: Er musste den Kaufvertrag über ein anderes großes Unternehmen unterzeichnen, bevor es die Konkurrenz wegschnappte. Mehrere Hundert Millionen Dollar standen auf dem Spiel. Also wurde die Abreise wieder verschoben. Am Reisetag selbst präsentierte ihm der Vorstand seiner Erdölfirma ein neues Problem. Schon wieder ging es um alles oder nichts.
    »Um die Reise nicht noch einmal zu verschieben, bat ich meine Familie und Freunde, ohne mich zu fliegen. Ich wollte etwas später mit einem Charterflug zu ihnen stoßen. Meine Frau war nicht sehr glücklich darüber, und meine damals siebenjährige Tochter, Julieta, war ganz traurig. Sie umarmte mich zum Abschied und sagte trotz allem: ›Du bist der beste Papa der Welt!‹ Mein neunjähriger Sohn Fernando umarmte mich auch und sagte: ›Du bist der beste Papa der Welt, aber du musst ja immer arbeiten!‹ Ich antwortete: ›Meine Süßen, ihr seid die besten Kinder der Welt, und eines Tages hat Papa auch mehr Zeit für euch!‹«
    Der Meister stieß einen tiefen Seufzer aus:
    »Wenn ich gewusst hätte, dass es diesen Tag nie geben würde!«
    Er stockte und begann zu weinen. Die Menge hielt bestürzt den Atem an. Dann fuhr er mit tränenerstickter Stimme fort: »Wenige Stunden nach ihrem Abflug saß ich in einer Besprechung. Da platzte meine Sekretärin mit der Nachricht herein, ein großes Passagierflugzeug sei abgestürzt. Sofort schlug mir das Herz bis zum Hals. Ich stellte die Nachrichten an und erfuhr, dass das Flugzeug in ein dichtes Urwaldgebiet gestürzt war und dass es offenbar keine Überlebenden gab. Es war der Flug, auf den sie gebucht waren … Weinend brach ich zusammen. Ich hatte alles verloren! Mir war der Boden unter den Füßen weggezogen, die Luft zum Atmen und der Sinn des Lebens genommen worden. In meiner Verzweiflung stellte ich unter Tränen ein Rettungsteam zusammen, doch die Körper meiner Frau und meiner Kinder wurden nie gefunden. Vom ausgebrannten Flugzeug waren nur noch ein paar verkohlte Wrackteile übrig. So konnte ich von den wichtigsten Menschen in meinem Leben nicht einmal mehr Abschied nehmen und sie ein letztes Mal sehen oder berühren. Von einem Moment zum anderen war es plötzlich so, als ob es sie nie gegeben hätte.«
    Der reiche und mächtige Mann, den so viele um seinen Erfolg beneidet hatten, war über Nacht zu einer bemitleidenswerten Jammergestalt herabgesunken. Und als wäre sein unsäglicher Schmerz nicht schon groß genug gewesen, wurde er auch noch von furchtbaren Schuldgefühlen geplagt.
    »Alle Psychologen, bei denen ich in Behandlung war, wollten mich von meinen Schuldgefühlen befreien. Sie wollten mich davon überzeugen, dass ich für den Verlust ja gar nicht verantwortlich wäre. Doch ich wusste, dass mich indirekt doch Verantwortung traf. Sie wollten mich davor schützen, der Bestie namens Schuld ins Auge zu sehen. Aber sie konnten mich nicht davon abhalten, mich selbst zu bestrafen. Ich sperrte mich gegen ihre hohe Fachkompetenz und ihren guten Willen und zog mich in mein Schneckenhaus zurück.«
    Der Meister, der noch nicht damit fertig war, dem Publikum aus den Kapiteln seines früheren Lebens vorzulesen, begann nun, sich selbst zu befragen: »Was habe ich überhaupt aufgebaut? Warum habe ich nicht dem, was ich am meisten liebte, auch die meiste Zeit geschenkt? Warum habe ich nie den Mut gehabt, weniger zu arbeiten? Wann ist es an der Zeit, kürzer zu treten? Was ist so wichtig, dass es wichtiger ist als das Leben selbst? Was nützt einem aller Reichtum der Welt, wenn man nicht mehr lebt?«
    Welch unerträgliche Last! Welch schrecklicher Schmerz! Während ich ihm zuhörte, wurde mir klar, dass wir alle im Leben Verluste erleiden, wie viel Erfolg wir auch haben mögen. Niemandem scheint immer die Sonne, niemand hat nur ruhige See. Die einen verlieren mehr, die anderen weniger; die einen erleiden vermeidbare, die anderen unvermeidbare Verluste. Manche verlieren in der Arena der Gesellschaft, andere im Theater ihrer Psyche. Und derjenige, der es schafft, unversehrt durchs Leben zu gehen, verliert trotzdem seine Jugend. Auch ich hatte schwere Verluste erlitten und ich folgte einem Meister in der Kunst des Verlierens. Aber als ich die letzten Monate an seiner Seite Revue passieren ließ, fragte
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