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Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler
Autoren: Augusto Cury
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meinen letzten Cent dafür geben, um nur einen einzigen weiteren Tag mit meinen Lieben verbringen zu dürfen, und aus diesem Tag würde ich eine Ewigkeit machen. Aber sie sind von mir gegangen, und wenn ich Stimmen höre, dann sind es die ihren. Sie rufen mir aus den Trümmern meiner Erinnerung zu: ›Papa, du bist der beste Papa der Welt. Aber immer musst du arbeiten!‹«
    Tränen liefen ihm über das Gesicht, die bewiesen, dass auch große Männer weinen. Dann beendete er seine Rede mit den Worten: »Die Vergangenheit ist tyrannisch. Sie gibt mir meine Familie nicht zurück. Aber die Gegenwart hebt großzügig mein gesenktes Haupt, damit ich sehe, dass ich zwar nicht ändern kann, was ich gewesen bin, aber aufbauen kann, was ich sein werde. Haltet mich ruhig für verrückt, wahnsinnig oder psychotisch! Das Einzige, was wirklich zählt, ist die Tatsache, dass ich wie jeder Sterbliche eines Tages das Theaterstück meines Lebens auf der winzigen Bühne des Grabes vor weinendem Publikum beenden werde.«
    Die letzten Gedanken berührten mich tief. Der Meister holte noch einmal Luft, um sie auszuführen: »Ich möchte nicht, dass die Leute an jenem Tage sagen: ›Hier ruht ein berühmter, reicher Mann, der in die Geschichte eingehen wird.‹ Genauso wenig sollen sie sagen: ›Hier ruht ein integrer, gerechter Mann‹, denn das sind nichts als leere Worte. Ich wünsche mir, dass sie stattdessen sagen: ›Hier ruht ein einfacher Wanderer, der ein wenig davon verstanden hat, was es heißt, ein Mensch zu sein, der gelernt hat, die Menschheit zu lieben, und der es geschafft hat, anderen Wanderern Träume zu verkaufen …‹«
    Er wandte seinen Zuhörern den Rücken zu und wollte die Bühne verlassen. Da erhob sich die Menge im Stadion und begann, ununterbrochen zu applaudieren, während seine Schüler in Tränen ausbrachen. Auch wir hatten keine Angst mehr davor, öffentlich Gefühle zu zeigen. Sogar die Gegner des Meisters waren aufgestanden, und zwei von ihnen klatschten ebenfalls. Der Vorstandsvorsitzende jedoch stand reglos da und wusste nicht, wo er hinschauen sollte.
    Plötzlich durchbrach ein Junge die Absperrungen, sprang auf die Bühne, lief hinter dem Traumhändler her und fiel ihm um den Hals. Es war Antonio, der Zwölfjährige, der bei der Trauerfeier seines Vaters so verzweifelt gewesen war, jener Trauerfeier, die der Traumhändler in eine feierliche Hommage verwandelt hatte.
    »Ich habe meinen Vater verloren, aber du hast mich gelehrt, nicht den Glauben an das Leben zu verlieren. Vielen Dank!«, rief er aus.
    Der Meister sah den Jungen gerührt an und überraschte ihn mit den Worten: »Ich habe meine Kinder verloren, aber auch du hast mich gelehrt, den Glauben an das Leben nicht zu verlieren. Ich bedanke mich bei dir!«
    »Erlaube mir, dir zu folgen!«, bat der Junge.
    »Seit wann ist die Schule in deinem Leben?«
    »Ich bin in der sechsten Klasse.«
    »Du hast meine Frage nicht verstanden. Ich habe nicht gefragt, seit wann du in der Schule bist, sondern seit wann die Schule in dir ist.«
    Ich, ein Hochschulprofessor, der die Kunst des Lehrens zu seiner Welt gemacht hatte, hatte noch nie eine solche Frage gehört, erst recht nicht gegenüber einem Jugendlichen. Der Junge war verwirrt.
    »Was meinst du damit?«
    Seufzend sah der Traumhändler ihn an und sagte: »An dem Tage, da du das verstehst, wirst du gelernt haben, mit Träumen zu handeln. Dann kannst du mir in deiner Freizeit folgen.«
    Konfus ging der Junge davon, doch er hatte die Bühne noch nicht verlassen, als sich sein Gesichtsausdruck plötzlich veränderte, so als hätte er eine Eingebung. Über die Stadionkamera konnten alle sehen, wie er vor Freude strahlte. Und anstatt zu seinem Sitzplatz zurückzukehren, kam er zu uns. Wir wollten wissen, was geschehen war, doch das blieb für den Moment noch ein Geheimnis.
    Der Meister setzte seinen Weg von der Bühne ins Leben fort. Ohne Karte und Kalender brach er auf, um sich von Tag zu Tag treiben zu lassen wie eine Feder im Wind – mit leichtem Herzen und klarem Blick. Diesmal lud er uns jedoch nicht ein, ihm zu folgen, und wir empfanden tiefe Trauer.
    Ob wir uns für immer trennen würden? War der Traum, Träume zu verkaufen, jetzt zu Ende? Was sollten wir tun? Wohin sollten wir gehen? Sollte ich andere Geschichten schreiben? Wir waren ratlos und fühlten uns wie die Kinder, die auf der Bühne des Lebens spielen und sehr wenig von seinen Geheimnissen verstehen.
    Wer war der Meister wirklich? Woher kam
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