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Der Traum des Satyrs

Der Traum des Satyrs

Titel: Der Traum des Satyrs
Autoren: Elizabeth Amber
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noch nicht gerundet, doch selbst über die Entfernung einer ganzen Welt zwischen ihnen hinweg sagten seine Instinkte ihm sogleich, dass sie den Samen eines anderen Mannes in sich beherbergte – Samen, der erst in der vergangenen Nacht dort gepflanzt worden war.
    Und in dem Moment, als er das erkannte, traf ihn eine weitere Erkenntnis wie ein Faustschlag. Er taumelte von dem Spiegel zurück und warf dem Bewahrer einen anklagenden Blick zu.
    »Ja«, bestätigte der und vermied es, ihn anzusehen. »Sie erwartet ein Kind.«
    Ein Moment völliger Stille verging. Und dann noch einer und noch einer.
    »Aber nicht irgendein Kind, nicht wahr?«, fragte Dominic, und in seiner Stimme lag eine leise Drohung.
    Seine rechte Hand vibrierte, als hätte sein Verdacht das Böse, das seiner Handfläche innewohnte, aufgerührt. Er hob die Hand vor den Augen des Bewahrers und bewegte sie bedächtig in dem Handschuh aus Silberfäden.
    Der Bewahrer verlagerte unbehaglich sein Gewicht, und er schaute rasch zu dem Handschuh, während er fast unmerklich davor zurückwich.
    Die Akolythen begannen zu summen. Nervös formten sie ihre Hände zu einer Schale, um das Mondlicht über ihren Häuptern in den Handflächen aufzufangen – eine Geste, die, so glaubte man, Dämonen abwehren konnte.
    Dominics Lippen verzogen sich, auf grausame Weise sinnlich. Seine Wimpern senkten sich und beschatteten seine Augen. Und für einen kurzen Moment genoss er die verborgene Macht, die anderen – selbst diesen einflussreichen Persönlichkeiten hier – Angst vor ihm einjagte.
    »Wie Ihr …« Das Räuspern des Bewahrers spiegelte sein Unbehagen wider. »Wie Ihr zweifellos bereits erraten habt, wird das Kind ein Auserwählter sein – Euer Nachfolger.«
    Ein Schauer lief Dominic über den Rücken. Entgeistert starrte er den Bewahrer an.
    »Das kommt sicher nicht überraschend für Euch«, fuhr der Bewahrer fort. »Euch war immer klar, dass eines Tages ein Ersatz für Euch berufen werden würde.«
    Ja, das hatte er gewusst. Aber er war zu sehr vom nie enden wollenden Jagen und Töten, aus dem seine Nächte bestanden, beansprucht gewesen, um darüber nachzudenken. Diese Nachricht traf ihn nun vollkommen unvorbereitet. Bedeutete das, dass sein Tod bevorstand?
    »Nun denn, Ihr habt vier Wochen«, erklärte der Bewahrer knapp. »Wenn der nächste Vollmond naht, ist es zwingend notwendig, dass Ihr Euch mit ihr vereinigt, um die Kräfte ihres Kindes zu erwecken. Vier Wochen – ist das genug Zeit, um ihren Ehemann zu finden und eine Einladung in ihre Welt sicherzustellen?«
    Dominic nickte langsam und richtete seinen Blick wieder fasziniert auf den Spiegel und das Bild der Frau darin. Auf die zarte Röte ihrer Wange. Auf die verlockende Neigung ihrer Schulter.
    Auf ihren flachen Bauch.
    Wie einst seine eigene Mutter würde sie keine Ahnung haben, dass sie ein auserwähltes Kind erwartete. Und erst mit Dominics Tod würde sie vom Schicksal ihres Kindes erfahren.
    Seinen eigenen Vorgänger hatte er erst auf dessen Sterbebett kennengelernt, denn die Dämonenhand – durchaus wörtlich zu verstehen als eine Hand, der Dämonen innewohnten – ging nicht durch Vererbung an den Nachfolger über. Sie erwählte ihren Wirt scheinbar zufällig, einen nach dem anderen. Nur ein Mal in jeder Generation erhielt ein einziges Kind die Macht – den Fluch –, die Dominic als Knabe zuteilgeworden war. Eine verspiegelte Handfläche.
    »Ausgezeichnet!« Der Bewahrer nickte seinen beiden Begleitern zu.
    Schnapp!
    Bei dem scharfen Geräusch flackerte das Bild, als handelte es sich um eine Spiegelung auf der Oberfläche eines Tümpels. Dann schrumpfte es zu einem kleinen Punkt zusammen – und dann war die Frau verschwunden.
    Die stille Szene in der Ferne hatte eine eigenartige Faszination auf Dominic ausgeübt, und er fühlte sich seltsam betrübt, als er sah, wie sie sich auflöste. Seine eigene Welt befand sich ständig im Chaos. Vielleicht würde der Sohn dieser Frau derjenige sein, der schließlich den Frieden brachte. Etwas, das Dominic trotz seiner unermüdlichen Hingabe nicht geschafft hatte.
    Die beiden Akolythen streckten erst dem Bewahrer, dann sich gegenseitig die rechte Hand entgegen und legten die Handflächen gegeneinander – zum traditionellen Gruß, der Begrüßung und Abschied bedeuten konnte.
    »Wie der Mond die Sonne reflektiert«, erklangen drei Stimmen in Übereinstimmung und taten damit kund, dass dieses Treffen nun beendet war.
    Weder entbot einer von
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