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Der Traum des Satyrs

Der Traum des Satyrs

Titel: Der Traum des Satyrs
Autoren: Elizabeth Amber
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Aufmerksamkeit auf sich. Im Kerzenlicht war sein Gesicht faszinierend und eigentlich attraktiv, doch die Zeit und die Erfahrungen des Lebens hatten es in etwas Rauhes und Wildes verwandelt. Um die sinnlichen Lippen lag ein unbarmherziger Zug, sein Haar bildete ein nachtschwarzes Durcheinander, und über sein kräftiges kantiges Kinn verlief eine dünne Narbe.
    Er war so groß gewachsen wie Nicholas und so kräftig gebaut wie Lyon – mit seiner massiven Statur, dem breiten Brustkorb und der aufrechten Haltung eines Soldaten bot er eine beeindruckende Erscheinung. Ohne ein Lächeln fixierte er die Anwesenden, und die gespannte Haltung seiner muskelbepackten Arme drückte die Bereitschaft aus, notfalls einen Angriff abzuwehren – oder selbst zum Angreifer zu werden.
    Nicholas und Lyon standen Emma am nächsten, und sie fühlte die Aggressivität der beiden Brüder erwachen, ihre Bereitschaft, die Familie zu beschützen. Fremde kamen nur selten hierher, denn ihr kleiner Familienverband lebte aus gutem Grund abgeschieden.
    »Zurück!«, grollte Lyon und stellte sich vor Jane und Emma.
    Emma spähte um ihn herum und sah zu, wie der Eindringling ins Licht trat. Er trug dieselbe graue Uniform wie Carlo. Diese war schmucklos gestaltet, bis auf die neun dicken länglichen Knöpfe vorn an der Jacke. Sie waren aus irgendeinem nicht bestimmbaren Metall aus der Anderwelt gefertigt, und ihr blutroter Schimmer hatte sie immer an die Weinreben hier auf dem Gut erinnert. An der Hüfte des Mannes hing die gleiche dolchähnliche Waffe wie bei Carlo.
    Wenn dieser Kerl auf derselben Seite kämpfte wie ihr Ehemann, dann stellte er doch sicher keine Bedrohung für sie dar. Sie warf einen Blick zu Nicholas und Raine. Alle drei Brüder hatten mit ihren Körpern eine lebende Wand zwischen dem Fremden und ihren Frauen gebildet, und ihre Haltung drückte Feindseligkeit und Argwohn aus.
    »Entrare, entrare.«
Nur Carlos Miene hatte sich beim Erscheinen des Fremden aufgehellt, und sein Schritt wirkte beschwingt, als er sich durch die kleine Versammlung in der Halle bewegte, um den Herrn – wenn man ihn denn so nennen konnte – hereinzuführen. »Beruhigt euch!«, forderte er die Familie auf und legte dem Neuankömmling kameradschaftlich einen Arm um die Schulter. Emma sah erstaunt zu, wie ungezwungen ihr sonst so reservierter Ehemann diesen Fremden umarmte.
    »Meine Lieben, das ist …«
    »Dominic Janus.« Das dunkle Timbre in der Stimme des Mannes übertönte Carlo und jagte Emma einen Schauer über den Rücken. Er sprach mit einem Akzent, den sie nicht zuordnen konnte, und für einen Moment fragte sie sich, wie seine Muttersprache wohl klingen mochte.
    »Wächter der Portale und Durchgänge«, murmelte sie.
    Obwohl sie leise gesprochen hatte, hörte der Fremde sie, und sein Blick wandte sich ihr zu. »Meine Gemeinde dient derselben Aufgabe wie die Eure hier, nur dass wir von der anderen Seite aus über das Tor zwischen unseren Welten wachen.«
    Damit meinte er das geheime Tor zwischen der Erdenwelt und der Anderwelt, denn dieses lag tief verborgen im Herzen des nahen Waldes auf den Ländereien der Herren von Satyr. Nicholas, Raine und Lyon schützten es gegen Eindringlinge, so wie ihre Ahnen es vor ihnen seit uralten Zeiten getan hatten.
    Nachdem der Besucher seine Herkunft offenbart hatte, entspannten sich alle sichtlich, wenngleich in den Gesichtern der drei Brüder nach wie vor ein gewisser Argwohn stand.
    »Komm, und lerne meine Brüder kennen, Dom!«, rief Carlo überschwenglich aus. Er nannte sie gern seine Brüder, tatsächlich jedoch war der genaue Grad seiner Blutsverwandtschaft zu den Herren von Satyr unbekannt und wahrscheinlich wesentlich entfernter als der eines Bruders.
    Nachdem Carlo den Rest der Familie vorgestellt hatte, nahm Jane ihn unauffällig am Arm und nickte in Emmas Richtung. Zwar wusste Emma die gute Absicht ihrer Schwester zu schätzen, doch hatte diese damit überhaupt erst aller Aufmerksamkeit auf Carlos Versäumnis gelenkt.
    »Oh, natürlich, natürlich!
Scusa,
mein Liebling!« Nachträglich winkte Carlo Emma zu sich und ließ sie so vor ihn treten, dass sie seinem Freund direkt gegenüberstand. »Und schließlich hier, meine bezaubernde Frau … Emma.« Er klang beinahe widerwillig dabei, seine Rechte an ihr auszusprechen, und sie zuckte innerlich zusammen.
    »Willkommen in unserem Heim, Signore!« Du lieber Gott, aus der Nähe war dieser Mann ja noch imposanter! Sie schaute zu ihm auf und stellte fest,
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