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Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie

Titel: Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie
Autoren: Shana Abé
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repariert. Wann immer ihr Blick darauf fiel, schien die Säule sie von der Seite her anzugrinsen, als sei ein Riese erschienen und habe einen einzigen Bissen herausgerissen.
    Einmal, nur einmal hörte sie wieder die Drossel singen. Sie hob den Kopf, um eine Stofffalte im Nacken zu glätten, und ihre Augen wanderten zu dem Herrenhaus, den Reihen von Fenstern, die zum Balkon des Grafen führten. Zu dem gefiederten Wasserspeier, der sein höhnisches Kalksteingrinsen grinste.
    Kimber stand dort auf dem Balkon und starrte zu ihr herüber, die Unterarme gegen die Brüstung gestemmt, das Gewicht
auf ein Bein verlagert. Elfenbein und zerzaustes Gold, ein sich in einer plötzlich aufkommenden Brise blähendes Hemd. Er stand unbeweglich da und beobachtete sie.
    Wie das kleine Mädchen aus den Wäldern, das Maricara vor nicht allzu langer Zeit an einem hellen Nachmittag erblickt hatte, hob sie eine Hand. Aber der Graf richtete sich nur auf und ging davon.
    Maricara seufzte und besah sich die zerknitterten Papierknäuel, in denen ihre letzten sieben Versuche geendet hatten, ihrem Bruder Sandu zu erklären, was sich ereignet hatte. Aber sie konnte es nicht erklären; sie verstand selbst kaum all die Unterströmungen, die an ihrem Leben zerrten, und die Anführerin in ihr hegte ohnehin eine Abneigung dagegen, zu viel Mühe aufs Schreiben zu verwenden.
    Aber es gab ein paar Dinge, die sie entschlossen anpackte. Oder doch zumindest eins …
    Sie sammelte Papier und Schreibfeder wieder ein, dann kehrte sie in das Herrenhaus zurück.
    Sie fand ihn nicht in seinen Gemächern, sondern in ihrem Zimmer, wo er gekrümmt in einem Sessel saß, den jemand gebracht hatte, um den zerbrochenen Chippendale-Stuhl zu ersetzen. Dieser war kleiner, in blau und grün gepolstert und noch zierlicher und empfindlicher als sein Vorgänger. Sie bezweifelte, ob ein Bein auch nur eine Delle in der Tür hinterlassen würde.
    »Bequem?«, fragte sie ihn, als sie sich gegen den eisernen Rahmen lehnte.
    »Nicht sehr.« Er vermied es aufzublicken und betrachtete weiter seine Schuhe. »Ich kann mir nicht vorstellen, für wen sie solche Möbel bauen. Ich habe Anmachholz gesehen, das stabiler war als diese Arme, und die Kissen sind so glatt, dass ich kaum an Ort und Stelle zu bleiben vermag.«

    »Winzige Menschenfrauen«, sagte Maricara, »die Tee in sonnigen Wohnzimmern zu sich nehmen, an Selleriestangen und Sprossen knabbern und zum Essen Zitronenwasser zu sich nehmen. Sie fürchten nie, auf etwas zu rutschen.«
    »Aha, das ist die Erklärung. Vielleicht brauche ich weiter nichts als ein wenig Zitronenwasser bei meiner Ernährung.«
    »Du wirst sehr hungrig sein, während du mich Brot und Wein genießen siehst. Und ich würde dir nichts abgeben, ganz egal, wie nett du mich auch bätest.«
    Seine Mundwinkel hoben sich ein wenig, sein Blick blieb aber gesenkt. Drei der sieben Kerzen auf dem Leuchter waren entzündet und ließen auf seinen Wangen die Illusion von Wärme entstehen. »Ich weiß die Warnung zu schätzen. Trotzdem ist es ein Jammer, denn ich habe in letzter Zeit darüber nachgedacht, wie ich die Art meines Bittens aufpolieren kann.«
    Maricara betrat die Zelle. Sie legte ihre Sachen auf das Schreibpult hinter ihm, wobei sie ihm so nahe kam, dass ihr Reifrock seinen Ärmel streifte. Er rührte sich nicht.
    Es war noch nicht Schlafenszeit, nicht einmal Zeit fürs Abendessen. Sie beäugte das Bett, dann seinen Rücken. Der Verband um seine Brust schimmerte in blasserem Weiß unter seinem gebügelten Hemd.
    Sie hatte den Verband des Nachts oft berührt. Sie hatte die Finger über die Leinenverbände gleiten lassen, hatte all ihre Kunstgriffe und Sinne benutzt, um die Wunde darunter zu beurteilen, hatte nach Fieber, nach Entzündungen gesucht oder auch nach Schmerz. Aber sein Herz hatte immer ruhig und gleichmäßig gegen ihre Hand geschlagen. Nichts verlangsamte den stetigen Schlag, nicht einmal der Schlaf.
    Sie setzte sich auf die Bettkante und schickte sich an, die Schuhe auszuziehen.

    »Warum bist du noch nicht gegangen, Mari?«, fragte der Graf.
    Sie musterte ihn unter den gesenkten Wimpern hindurch. Er lächelte jetzt, aber es kam nicht von Herzen.
    »Du warst vorher so eifrig darauf bedacht. Ich habe das Gefühl, dass dich zwanzigtausend Drachen nicht aufhalten könnten, wenn du es wirklich vorhättest.«
    »Sie haben sich alle Mühe gegeben«, sagte sie nach einem Augenblick. »Zwei von ihnen haben fast aufgeholt.«
    »Zwei! Welch robuste Burschen!
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