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Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Frank Schmitter
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stattgefunden, oder das Opfer hatte sich Hilfe suchend zu den Anwohnern schleppen wollen und war an dieser Stelle zusammengebrochen.
    Gerald und Batzko hielten die Fotografien in den Händen. Von diesem Punkt aus konnte man durch die Bäume die Isar mehr erahnen als sehen. Die Kommissare hörten Stimmen und Geräusche, die darauf hindeuteten, dass Leute ihre Fahrräder abstellten und Sachen von Gepäckträgern nahmen. Es war wieder ein Wetter unter weißblauem Himmel, das zum Grillen einlud, zum Musikhören und Entspannen.
    Aber diese Stelle, die Senke, wo man den Toten gefunden hatte, wirkte wie ein kleines Fleckchen Niemandsland zwischen den Häusern und der Isar. Wer benutzte diesen Weg? Nur jemand, der dort wohnte oder unterwegs nach Giesing war. Der Hauptstrom der Spaziergänger führte direkt entlang des Flusses. Es schien nachvollziehbar, dass der Unbekannte erst am folgenden Morgen gefunden worden war – zu spät, um ihn zu retten.
    Aber wer um alles in der Welt war der unbekannte Tote, der offenkundig gepflegte und höchstwahrscheinlich nicht mittellose Mann, der die Kleidung eines Obdachlosen getragen hatte?

4
    Am Mittwochvormittag betraten Gerald und Batzko das schmale Büro der Pressesprecherin ihrer Polizeistelle. Tanja Hillenbrand war eine hübsche junge Frau Anfang dreißig, die ihre glatten, mittelbraunen Haare mit einem zusammengerollten, dreieckigen Tuch in einem leuchtenden Orange zu einem Zopf gebunden hatte. Die Farbe war ein lebhafter Kontrast zu ihrer blassen Gesichtshaut. Vorne waren die Haare zu einem Pony geschnitten, der sie etwas mädchenhaft wirken ließ. An diesem Tag trug sie ein schwarzes T-Shirt und eine Leinenhose. Gerald hatte festgestellt, dass sich ihre Augenbrauen im Gespräch zusammenzogen und ihre Augen schmal wurden – vielleicht ein Reflex des Argwohns, der daher rühren konnte, dass Tanja Hillenbrand im Gegensatz zu ihren Kollegen nicht aus dem internen Polizeidienst kam und sich dadurch nicht voll akzeptiert fühlte. Sie hatte nach einer klassischen Journalistenausbildung freiberuflich für Münchner Zeitungen geschrieben, und Gerald vermutete aufgrund des ein oder anderen Kommentars, den er aufgeschnappt hatte, dass einige Kollegen bezweifelten, ob eine Mitarbeiterin mit diesem Werdegang hundertprozentig loyal sein würde, wenn es einmal darauf ankam.
    »Wenn ich meine Praktikanten bezahlen dürfte, würden sie sich wohl nicht so oft krank melden«, sagte sie entschuldigend, während sie eine Gebirgslandschaft aus Tageszeitungen, Zeitschriften, Fotokopien und Pressemappen zur Seite schob, sodass Gerald und Batzko ihre Unterlagen auf dem Schreibtisch ablegen konnten.
    »Wir brauchen deine Lyrik zu diesem Foto«, sagte Gerald.
    »Wir baden nicht gerade in Fakten«, ergänzte Batzko, und während er berichtete, zogen sich Tanja Hillenbrands dichte, dunkelbraune Augenbrauen zusammen wie zwei Raupen.
    »Schon seltsam«, sagte sie, nachdem sie die Akte kurz durchgeblättert hatte, und tippte mit dem stumpfen Ende ihres Bleistifts mehrmals auf die Tischplatte. »Ein Toter, der keine Spuren, sondern viele Fragen hinterlässt. Nun ja, anderenfalls würdet ihr beiden auch nicht in meinem Büro sitzen.«
    »Sondern mit dir in einem netten Straßencafé?«, warf Batzko ein.
    Tanja Hillenbrand räusperte sich vernehmlich. »Das Wetter passt, aber dein Ruf nicht.«
    »Komm schon. Du darfst nicht alles glauben, was der Flurfunk erzählt.«
    »Auch wenn ich nur ein Zehntel davon glaube, reicht mir das«, gab Tanja Hillenbrand zurück. »Nimm’s sportlich, Batzko, und streiche dieses Zimmer aus deinem Jagdrevier.«
    Gerald nahm eine Zeitung vom Stapel und ließ sie demonstrativ auf den Tisch fallen.
    »Okay, meine Herren«, sagte Tanja und nickte Gerald mit einem Ausdruck der Dankbarkeit zu, »ich schlage vor, wir beginnen mit der Münchner Tagespresse. Dass er in den einschlägigen Kreisen der Obdachlosen nicht erkannt wurde, legt den Schluss nahe, dass er nicht von hier ist – andererseits bestehen ja berechtigte Zweifel, dass er überhaupt ein Obdachloser war. Vielleicht sollte ja bewusst Verwirrung gestiftet werden, vielleicht handelte es sich um eine missglückte Entführung, vielleicht – ach, was rede ich da, das werdet ihr schon herausfinden. Ich gebe noch heute eine Meldung raus, mit Foto natürlich, und dann sehen wir weiter.«
    Als er am frühen Abend nach Hause fuhr, war Gerald überzeugt, dass sich mit der Pressemeldung die Identität des Toten aufklären würde. »Der
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