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Der Tote vom Silbersee (German Edition)

Der Tote vom Silbersee (German Edition)

Titel: Der Tote vom Silbersee (German Edition)
Autoren: Ursula Schmid , Christine Schneider
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vor. Ihr Blick ging zum See. Im hellen, schonungslosen Licht der Autolampen wirkte die Hand noch gespenstischer.
    »Kommen Sie bitte in mein Auto!«, hörte Lena hinter sich eine Frauenstimme. Sie drehte sich um und sah eine Frau, die ihr nur bis zu den Schultern reichte.
    »Ich bin die leitende Beamtin in diesem Fall.« Im grellen Licht glitzerten ihre Ohrringe. Von Kopf bis Fuß trug sie violett.
    Interessante Frau!, schoss es Lena durch den Kopf. Sie bemerkte, dass sie ebenfalls gemustert wurde. Ihre Schlafanzughose lugte unter der Jeans hervor. Ein Knopf ihrer Strickjacke hing lose an einem Faden und gab den Blick auf das Pyjamaoberteil frei. Verwaschen und geblümt. Die Beamtin ging Lena voraus zu einem Kastenwagen, sie grinste amüsiert. Dort schob sie die Tür auf, stieg ein, setzte sich auf die Bank hinter dem Tisch. Mit einer Kopfbewegung forderte sie Lena auf, ebenfalls Platz zu nehmen. Selbstverständlich kam auch Trixi auf die Bank. Wenn es die Kommissarin störte, ließ sie es sich nicht anmerken.
    »Bertaluise Nürnberger.« Sie reichte Lena die Hand. »Wie ich schon sagte, ich bin die leitende Beamtin.«
    »Lena Wälchli.«
    Den kräftigen Händedruck hätte sie der kleinen Person gar nicht zugetraut.
    »Das ist ja süß! Eine Frau Nürnberger in der schönen Stadt Nürnberg. Wie sind Sie denn zu dem Namen gekommen?«
    Die Kommissarin konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
    »Das erzähle ich Ihnen bei Gelegenheit. Jetzt sind Sie erst mal dran. Legen Sie los, Frau Wälchli!«
    März 1969
    »Mensch, Streber, ich hab ‚ne Zwei!
    Ein zaghaftes Lächeln erhellte das Gesicht des Jungen. Ihm war richtig schlecht gewesen, als er seinem Mitschüler den Zettel unter der Bank zugeschoben hatte. Aber zum Glück sah der Mathelehrer gerade zum Fenster raus.
    »Das machst du jetzt immer, sonst …«
    Im Magen des Jungen krampfte sich ein dicker Kloß zusammen.
    Langsam trottete er nach Hause. Sie schlugen ihn immer. Es war ihnen egal, wie er die Schrammen und blauen Flecke seinen Eltern erklärte. Seine Mutter sah ihn nur mitleidig an. Sie sagte nie etwas. Auch seine neue Jacke hatten sie ihm abgenommen, sodass er frierend heimging. Er besaß unzählige Jacken, da fiel das seinen Eltern sicher nicht auf. Er schämte sich. Warum nur konnte er sich nicht wehren? Er war ein Nichts. Mit ihm konnte jeder verfahren, wie es ihn gelüstete. Er war der Punchingball. Der Junge ballte die Faust. Am liebsten hätte er laut geschrien. Als er das Haus betrat, rannte ihm der Mops entgegen. Niemand war daheim. Trotzdem sah er sich vorsichtig um. Dann trat er nach dem Hund, der heulend das Weite suchte.
    Nun ging es ihm ein bisschen besser.

5
    Lena sah die Kommissarin an. Irgendwie passte alles an dieser Frau; die Ton-in-Ton-Bekleidung, der Name Nürnberger in der Stadt Nürnberg und der lange Zopf, der ihr bis über die Taille reichte. Frauen ihrer Art waren kaum auf ihr Alter zu schätzen und Lena gab ihre Musterung auf. So langsam merkte sie, dass der ausgestandene Schreck ihr zusetzte. Ihre Hände zitterten. Die Kommissarin griff über ihre Schulter und zauberte eine Thermoskanne und zwei Becher hervor. Wortlos schenkte sie ein. Der Duft von Kaffee schmeichelte Lenas Nase. Gierig trank sie in großen Schlucken.
    »Jetzt geht es mir besser. Das war schon sehr gespenstisch, auf einmal eine Hand aus dem Wasser ragen zu sehen«, meinte Lena. Sie sah sich suchend um und fragte: »Haben Sie vielleicht ein Nastuecheli für mich, damit ich mir den Mund abwischen kann?
    »Ein was?«
    »Nastuecheli, in Deutschland heißt das Papiertaschentuch.«
    Kommissarin Nürnberger nickte und kramte aus ihrer Tasche eines hervor. Lena schnäuzte sich heftig. Dann schüttelte sie den Kopf, als könne sie so das schreckliche Bild aus ihrem Kopf loswerden.
    »Ist Ihnen etwas aufgefallen? Haben Sie etwas gesehen?«, fragte die Nürnbergerin.
    »Nichts, Frau Kommissarin, wirklich nichts! Wenn mein Hund nicht so gebellt hätte, wäre ich gar nicht auf die Hand aufmerksam geworden.«
    Als hätte Trixi jedes Wort verstanden, kläffte sie kurz auf.
    Lena gähnte verhalten hinter der vorgehaltenen Hand.
    »Sie sind müde, das kann ich verstehen. Kommen Sie am besten morgen …«, die Kommissarin richtete ihren Blick auf die Armbanduhr, »… das heißt, heute aufs Präsidium, damit Sie Ihre Aussage unterschreiben können.«
    Frau Nürnberger öffnete die Wagentür. Lena hatte das Gefühl in eine Nebelwand zu laufen. Es war gruselig, als in diesem
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