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Der Tote vom Silbersee (German Edition)

Der Tote vom Silbersee (German Edition)

Titel: Der Tote vom Silbersee (German Edition)
Autoren: Ursula Schmid , Christine Schneider
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Richtung Bauernfeindstraße davon. Lena sah ihm nach und fragte sich wieder einmal, ob sie das Richtige tat.
    Fasching 1969
    Panik umhüllte ihn wie ein Schleier. Sein Herz klopfte gleich einem Presslufthammer. Gleich als Erster war er aus dem Klassenzimmer gestürmt und schnell die alte Eiche hinaufgeklettert. Er dachte, sie würden sein Versteck in der Astgabel entdecken. Doch niemand sah zu ihm hoch. Achtlos gingen Schüler und Lehrer über den Schulhof unter der Eiche vorbei. Seit gut zwei Stunden saß er nun schon da oben.
    Wenn er in dieser letzten Matheschularbeit keine Eins schrieb, wäre ein Mitschüler der Klassenbeste und nicht er. Der Übertritt ins Gymnasium stand an. Dieser Klassenkollege bekäme die Auszeichnung vom Rektor, und er würde zusehen müssen. Sein Mitschüler war ein Mathe-Ass und er war bei allen beliebt. Er spürte, wie eine eisige Hand nach ihm griff. Er wusste, was ihm dann bevorstand. Die Kälte in seinem Innern nahm zu. Er fror eigentlich immer, egal ob es Sommer war oder wie jetzt, noch Winter.
    Die Zeit verging nur langsam. Endlich erloschen die letzten Lichter im Schulhaus. Sein Mathelehrer, der alte Leitmayer, bewahrte seine Schulaufgaben im Klassenzimmer auf. Die Lade des Schreibtisches hielt er zwar stets verschlossen, nur, was nutzte das, wenn er den Schlüssel achtlos auf dem Schreibtisch liegen ließ? Es war ein Leichtes für ihn gewesen: ein schneller Griff zum Schlüssel, ein Abdruck in die Kaugummimasse und zurücklegen. Vorsichtshalber hatte er sich noch einen gebogenen Draht eingesteckt. Langsam kletterte er vom Baum.
    ***
    »Danke, Klaus.« Der Vater legte den Hörer auf die Gabel und betrachtete seinen Sohn, der sein Abendessen kaum angerührt hatte. Der Junge lächelte scheu.
    »Ich habe meinen alten Studienkollegen Klaus gebeten, mir deinen Durchschnitt durchzugeben.« Der Magen des Jungen verkrampfte sich. Sein Vater war mit dem Schuldirektor auch noch im selben Golfklub. Er machte eine kleine Pause. Seine Augen glänzten.
    »Er sagt, dass du den besten Durchschnitt deines Jahrganges und die beste Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium seit Jahren gemacht hast. Besonders in Mathematik hast du volle Punktzahl.«
    Dem Jungen war, als rolle ein zentnerschwerer Stein von seinem Herzen.
    »Los, wir gehen in die Stadt. Das muss gefeiert werden!«, rief der Vater. Die blasse Frau sah auf den gedeckten Tisch mit all den vielen Schüsseln. »Wollen wir nicht zuerst fertig essen?«, fragte sie schüchtern.
    Eine Ader schwoll auf der Stirn des Vaters an. »Ich sagte, wir fahren in die Stadt!« Die Frau sprang hektisch auf. »Ja, sicher, ich hole nur meinen Mantel.«
    »Nein, jetzt bleibst du zu Hause, du hast das Recht mitzufeiern verwirkt!« Die Stimme des Vaters klang wie splitterndes Glas. Die Frau sank kleinlaut auf ihren Stuhl zurück.
    Der Vater hob den Mops hoch und hielt ihn auf Gesichtshöhe des Jungen.
    »Gib unserem Mathegenie ein Küsschen, Bessy, er hat es verdient.«
    Der Junge spürte die feuchte Zunge des Hundes, und es war, als ob ein Aal über seinen Mund kroch.

3
    Lena träumte, dass sie mit ihren Schülern eine Wasserschlacht machte. »Ins Gesicht spritzen ist gemein, igitt, ist das nass.«
    Sie erwachte. Trixi saß auf ihrem Bauch und schleckte ihr hingebungsvoll über das Gesicht.
    Schlaftrunken knipste sie die Nachttischlampe an.
    »Was ist denn, Trixi?«
    Der Wecker zeigte drei Uhr zehn.
    Die Hündin rannte an die Tür und wieder zu Lenas Bett. Müde fiel Lenas Blick auf die Konfektpackung, die sie auf dem Tisch hatte liegen lassen.
    »Du sollst doch kein Konfekt stehlen, Trixi!« Das Hündchen wedelte freudig. Sein Schwänzchen bewegte sich im Takt des Sekundenzeigers.
    »Jetzt bin ich schon eine Nürnbergerin geworden«, sprach Lena zu sich selbst. »Ich sage schon Konfekt und nicht Guetslipackung. Hast du etwa die ganzen Guetsli aufgefressen? Na, dann mal auf, sonst kackst du mir noch in die Bude.«
    Seufzend zog sich Lena die Jeans über ihre Pyjamahose. Eine Strickjacke über dem Schlafanzugoberteil musste genügen. Der Nachtportier grüßte freundlich, indem er mit dem Zeigefinger an seine Uniformmütze tippte.
    Sternenklarer Himmel begrüßte Frau und Hund. Die Laternen, die normalerweise den Alfred-Hensel-Weg erhellten, waren um diese Zeit aus. Lena verließ den Weg und marschierte über die Wiesen des Dutzendteiches. Unter einem Baum erledigte Trixi ihr Geschäftchen und rannte dann wie ein Pfeil hin und her. Ab und zu hatte sie diesen
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