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Der Tote vom Silbersee (German Edition)

Der Tote vom Silbersee (German Edition)

Titel: Der Tote vom Silbersee (German Edition)
Autoren: Ursula Schmid , Christine Schneider
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Bewegungsdrang, und da Lena nie ohne Hundespielzeug und Taschenlampe aus dem Haus ging, sprang Trixi dauernd an ihr hoch, um den Ball zu bekommen. Da stand Lena nun mitten in der Nacht und warf ihrem verrückten Hündchen den Ball in die Dunkelheit. Doch Trixi fand ihn jedes Mal und brachte ihn stolz zurück.
    »Trixi, ich bin saumüde, ich will wieder ins Bett!« Lena hatte nicht bemerkt, dass sie schon bis zum Silbersee gelaufen war. Das Mondlicht tauchte ihn märchenhaft in ein silbriges Licht. Es war totenstill.
    Trixi schnupperte zwischen den hohen Gräsern am Ufer. Sie kläffte aufgeregt. Ihr Gebell klang unheimlich.
    »Trixi, komm her. Was soll denn das? Ruhig jetzt!«
    Trixi kläffte weiter. Das Bellen hörte sich hysterisch an. Lena wurde es mulmig.
    »Da ist doch nichts!«, versuchte sie nicht nur den Hund, sondern auch sich selber zu beruhigen. Endlich bekam sie Trixi am Halsband zu fassen, sodass sie sie anleinen konnte. Lena folgte Trixis Blick auf die ruhige Seeoberfläche. Spielte ihr das Silberlicht einen Streich? Sie schloss die Augen, schüttelte den Kopf, gerade so, als wenn sie das Bild aus ihrem Gedächtnis schleudern wollte. Dann kniff Lena ihre Augen zu kleinen Schlitzen zusammen. Doch die Geisterhand, die aus dem Wasser ragte, verschwand nicht. Das Keuchen, das sie hörte, war ihr eigener entsetzter Atem …
    März 1969
    »He, Streber! Du hast natürlich Tag und Nacht für die Mathearbeit gelernt. Du willst ja auch aufs Gymnasium!«
    Der Klassenkamerad mit dem flachen Gesicht und schwer wie ein Baum trat drohend auf ihn zu.
    Der Junge kniff die Lippen zusammen. Jetzt würde er wieder eine Faust im Magen spüren. Er spannte die Bauchmuskeln an. Nichts geschah.
    »Du bist doch immer so schnell, gibst die Arbeiten meist vor der Zeit ab. In Zukunft wirst du die Aufgaben zweimal schreiben und mir rüberschieben. Ist das klar?«
    »Aber, wenn der alte Leitmayer mich erwischt?«
    »Dann hast du Pech gehabt. Dann bekommst du eine Unterschleif-Sechs und von mir eine aufs Maul. Verstanden?«
    Der Junge nickte. Ihm war übel. Was war nun schlimmer? Ein Tritt in den Magen oder vom Mathelehrer erwischt zu werden?
    »Also, was ist, hast du das kapiert, du Genie?« Um seinen Worten etwas mehr Gewicht zu verleihen, trat Flachgesicht mit den Absätzen auf die Zehen des Jungen. Dieser biss die Zähne zusammen und nickte stumm. Es tat höllisch weh.
    »Nicht weinen, nur jetzt nicht weinen«, dachte der Junge verzweifelt und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an.
    »Na, dann sind wir uns ja einig«, grölte der massige Junge, hieb ihm auf die Schultern. Ein Lehrer, der vorüberging, lächelte. Es war eben immer wieder schön zu sehen, wie an der Schule Freundschaften – vielleicht fürs Leben – geschlossen wurden.

4
    Flucht! Das war das Erste, was Lena in den Sinn kam. »Nur weg von hier, es spukt.«
    Sie musste sich überwinden, an Ort und Stelle zu bleiben. Es dauerte eine Weile, bis sie das Handy aus der Hosentasche gekramt und die Notrufnummer gewählt hatte. Stotternd, durcheinander und abgehackt begann sie. Ihre Worte klangen wohl etwas schweizerisch konfus und wirr, denn eine müde Stimme unterbrach sie.
    »Hören Sie, meine Dame, ich verstehe Sie sehr schlecht. Wenn Sie meinen, uns verarschen zu können, kann das unangenehm für Sie werden«, schnarrte es aus dem Telefonhörer. Lena starrte ihr Handy an. Da hatte sie allen Mut aufbieten müssen, um hier, mutterseelenallein in der Nacht am Ufer eines giftigen Sees auszuharren, und der übellaunige Polizist bezichtigte sie der Verarschung.
    »Verdammt noch mal«, rief sie nun in Schriftdeutsch, »da ragt eine Zombiehand aus dem Wasser. Und an der Hand hängt mit Sicherheit ein Mensch. Ich mache mir vor Angst fast in die Hose, und Sie wissen nichts Besseres, als mich dumm anzupflaumen!«, schrie sie aufgebracht in den Hörer. Wenn Lena wütend wurde, war ihre Wortwahl nicht immer einer Lehrerin würdig. Doch es wirkte.
    »Bleiben Sie dort, wir kommen!«, sagte nun eine wachere Stimme.
    Es dauerte kaum eine Viertelstunde, bis sie blaue Lichter erblickte. Die längste Viertelstunde ihres Lebens. Trixi stellte einen Rekord im Kläffen auf. Das Tier spürte, dass etwas nicht stimmte. Die Polizisten richteten die Scheinwerfer der Einsatzfahrzeuge auf den See. Ehe Lena sich’s versah, war alles mit Bändern abgesperrt. Menschen in weißen Overalls maßen ab. Gingen drei Schritte vor, drei zurück, schrieben etwas ins Notizbuch. Lena kam sich verloren
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