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Der Tote vom Silbersee (German Edition)

Der Tote vom Silbersee (German Edition)

Titel: Der Tote vom Silbersee (German Edition)
Autoren: Ursula Schmid , Christine Schneider
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gehört.
    »Du hast Bessy irgendetwas Falsches gefüttert, du dumme Gans. Das arme Tier hat Krämpfe«, brüllte er. Obwohl der Junge Kopfhörer trug und die Musik laut aufdrehte, hörte er das Klatschen und Wimmern. Seine Mutter trug eine dicke Schicht Schminke. Trotzdem sah er die Flecken im Gesicht. Verwundert stellte er fest, dass er kein Mitleid mehr mit ihr empfand.
    »Sie hat es verdient«, dachte er. »Warum beschützt sie mich nicht vor diesem Ungeheuer? Warum geht sie nicht mit mir fort? Sie liebt mich nicht«, gab er sich selbst eine Antwort. »Darum hilft sie mir auch nicht, weil ich es nicht wert bin.«
    Sein Rücken schmerzte, und er spürte, wie ihm die Röte langsam den Hals hinaufkroch, als er an die Demütigungen durch seine beiden Peiniger dachte. Mama, warum beschützt du mich nicht? Eine Träne rann ihm über die Backe. Schnell wischte er sie weg, denn er hörte seinen Vater die Treppe herunterkommen.
    Die Genugtuung wollte er seinem Vater nicht geben, ihn weinen zu sehen. Er würde ihn dann nur wieder ein Weichei nennen.
    Eine Mutter musste doch ihr Kind beschützen. Jedenfalls hatte das der Biologielehrer gesagt. Der stärkste Instinkt ist der Mutterinstinkt. Wenn das eigen Fleisch und Blut bedroht wird, dann wächst eine Mutter über sich hinaus. Ha! Diese verhärmte Frau da am Esstisch, die hatte keinen Mutterinstinkt. Sie half ihm nie, beschützte ihn nicht. Kein Mensch hatte ihm je geholfen. Plötzlich fühlte er etwas wie abgrundtiefen Hass in sich. Das überdeckte die Angst. Diesmal musste seine Mutter für ihn büßen. Recht geschah ihr!
    Warum war dieser dumme Köter auch so versessen auf Schokolade. Hoffentlich krepierte das Biest. Er hatte jedenfalls dafür gesorgt, dass das verräterische Schokoladenpapier verschwunden war. Wenn dafür das blöde Vieh einging, opferte er gerne seine gebunkerte Schokolade.

7
    Lena nahm Platz im Stuhl vor Kommissarin Nürnbergers Schreibtisch. Es amüsierte sie, als sie die aufgereihten Gummibärchen auf der Schreibtischplatte sah. Ein Rotes, ein Gelbes. Lena schmunzelte in sich hinein. Frau Nürnberger zog eine Augenbraue nach oben, als sie Lenas amüsiertes Grinsen sah. Sie musste selber schmunzeln und fegte ihre Gummibärensammlung mit einer Handbewegung in die Tüte zurück.
    »Möchten Sie?« Die Kommissarin deutete auf den Beutel.
    »Plombenzieher«, gab Lena zur Antwort und machte dabei eine übertriebene Grimasse.
    »Verstehe«, meinte Frau Nürnberger, was sie nicht davon abhielt, sich selbst ein rotes Gummibärchen in den Mund zu schieben. Sie griff nach ein paar Blättern und reichte sie Lena.
    »Ich habe Ihre Aussage von gestern aufgeschrieben. Normalerweise macht das mein Kollege. Doch der ist auf Fortbildung und da muss ich halt alles selber machen. Eigentlich ist das Morddezernat dafür gar nicht zuständig.«
    Meine Güte! Wann schlief diese Frau? Sie sah aus wie der blühende Morgen.
    »Warum sind Sie nicht zuständig?«, unterbrach Lena, wobei sie das Wort nicht in die Länge zog.
    »Wir untersuchen Mordfälle. Der Tote im See hat durch seine Schwimmbewegungen das Wasser aufgewühlt. So sind giftige Dämpfe entstanden. Dann ist er ohnmächtig geworden und ertrunken. Fremdverschulden liegt nicht vor. Bitte lesen Sie Ihre Aussage durch, und wenn Ihnen noch etwas einfällt, oder wenn Sie etwas ergänzen wollen, dann sagen Sie es mir.«
    »Das glauben Sie ja wohl selber nicht! Welcher erwachsene Mensch, der seine sechs Sinne beieinanderhat, geht im Silbersee schwimmen? Überall stehen Warnschilder!«
    Lena schüttelte ungläubig den Kopf, zog ihre Lesebrille aus der Tasche und begann zu lesen. Sie musste sich richtig zusammenreißen, damit sie den Sinn der schwarzen Buchstaben verstand.
    »Unglaublich! Frau Kommissarin, Sie haben ja fast wörtlich unser Gespräch wiedergegeben.«
    Bertaluise Nürnberger schmunzelte und hielt Lena einen Stift unter die Nase. Sie unterschrieb.
    »Wie kann ein normaler Mensch in diesem See schwimmen gehen?«, setzte Lena das Gespräch fort.
    Die Kommissarin antwortete trocken: »Tja, manche Menschen brauchen den Kick. Die Dämpfe treten ja nur unregelmäßig aus, ist so was wie russisches Roulette.«
    »Wer ist der Tote?«
    Bertaluise Nürnberger seufzte. »Eigentlich sollte ich Ihnen das nicht sagen. Aber es wird heute sowieso in jeder Zeitung stehen. Er war Reporter bei den Nürnberger Nachrichten.«
    Lena begnügte sich mit dieser Auskunft. Sie verabschiedete sich mit einem Handschlag von der
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