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Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel
Autoren: Eva Bellin
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denn, erzählen Sie mal in aller Ruhe.«
    »Mein … also, Richard Hornung war nicht dabei. Aber er wollte nach dem Wochenende wiederkommen. Abends pochte es plötzlich an die Tür vom Hotelzimmer. Ich machte auf, dachte, es wäre jemand vom Personal. Aber es war ein fremder Mann. Hinterher drängten sich zwei andere Männer in das Zimmer. Ich wollte mich verstecken, aber da war es schon passiert. Einer stach mit einem Messer auf den ersten Mann ein. Einer schoß, wer, weiß ich nicht genau. Einer war mager, der andere war totaler Durchschnitt.«
    »Wie waren sie angezogen?«
    »Ganz normal. Ich weiß nicht, ich war einfach zu aufgeregt.«
    »Hatten Sie den Mann, der getötet wurde, erwartet?«
    »Nein. Überhaupt nicht. Ich kannte ihn ja auch gar nicht.«
    »Haben Sie ihm irgend etwas übergeben, oder wollten Sie etwas übergeben?«
    »Nein. Überhaupt nicht.«
    »Da lag etwas in ihrem Schrank zwischen ihren Sachen. So etwas wie ein Spielzeug.«
    »Spielzeug? Nee. Ach so, ja, da lag so Knete. Die war schon da, als ich ins Zimmer einzog. Ich hab' sie mir angesehen und dann wieder reingelegt. Muß ein Kind da vergessen haben. Ich wollte sie abliefern, aber hab's dann wieder vergessen.«
    »Sie hatten also persönlich mit der Sache gar nichts zu tun?«
    »Überhaupt nicht.«
    »Und dann haben die beiden Männer Sie mitgenommen. Warum wohl?«
    »Weil ich zugeschaut hatte.«
    »Und warum, glauben Sie, hat man Sie verschont?«
    »Ich tat ihnen leid.«
    Vielleicht war es ja wirklich so gewesen, obwohl Wedel ihr kein Wort glaubte. ›Überhaupt nicht‹ und ›vergessen‹ schienen Lieblingsvokabeln der Kleinen zu sein.
    »Sie wurden also aus dem Hotel fortgebracht. Von den beiden Männern?«
    »Ja. Es saß noch einer am Steuer, aber ich kann mich nicht erinnern. Sie brachten mich erst irgendwo in einen Keller, dann in diese Villa, wo Sie mich gefunden haben. Sie haben mich gequält und Pornofilme mit mir gemacht …«
    Jetzt fing sie an zu weinen. Das Verhör ging noch eine Weile weiter, hin und her, lang und breit und letztlich ergebnislos. Mehr würde sie nicht sagen.
    »Im Hotel haben wir Ihre Sachen zusammengepackt. Sie werden Ihnen nachher übergeben.«
    »Oh. Danke vielmals!«
    Daß diese Britta nicht die Wahrheit sagte, stand fest. Aber sie war letztlich ein winziger Fisch. Und ganz schön gewitzt. Sie hatte wahrscheinlich Kurier gespielt, das war strafbar. Doch was brachte es, wenn er versuchte, es zu beweisen? Sie wollte natürlich wieder nach New York zurück, als sei nichts gewesen. Man würde sehen.
    Sie fragte, ob sie ihren Bruder in Düsseldorf anrufen dürfe?
    Das war ja nun wieder ein ganz neuer Aspekt. Er sagte, er würde es sich überlegen.
    Wedel reiste erst einmal nach Kiel und überließ Mady Saparonsky das Berliner Terrain. Er kam gerade zur Beerdigung des ermordeten Moritz Mach zurecht.
    Im Kino gingen die Kriminalbeamten immer mit auf den Friedhof. Warum sollte er das also im richtigen Leben nicht auch tun? Es war manchmal gewiß höchst aufschlußreich.
    Die Eltern taten ihm leid. Offensichtlich ordentliche, brave Bürger. Der Vater war Feuerwehrmann, wie Wedel inzwischen wußte. Die Mutter sah noch aus wie eine echte Mutter, nicht wie die Schwester des Sohnes, wie man es jetzt so häufig sah. Sie schluchzte. Gramgebeugt. Plötzlich hatte dieses abgegriffene Wort augenfällig Sinn. Gramgebeugt, wie traurig. Und der Vater … beinahe zerrissen von Schmerz und Wut.
    Dann war noch eine exaltierte Person da, die Tante Charlotte, ganz in Schwarz, Minirock und schwarze Strumpfhosen, blickdicht. Und schwarzer, runder Hut mit dichtem Schleier, den sie vor das Gesicht gezogen hatte. Sie war wie die Witwe zurechtgemacht, fand Wedel. Am Grab, als der Sarg heruntergelassen wurde, weinte sie laut.
    Die Fotoreporter – und die waren mal wieder reichlichst vertreten und boxten sich gegenseitig in einigem Abstand aus den besten Positionen weg – konnten sich gar nicht einkriegen vor Begeisterung. Sie hatten ihre Kameras hoch über die Köpfe gestemmt, um genug Blickfeld für die Linse zu haben, und sogen die ganze Szene auf Deibel komm raus ein.
    Wedel sprach später mit dem Vater. Herr Mach hatte keinen Verdacht. Er konnte sich das alles überhaupt nicht erklären.
    »Wenn ich den Kerl in die Finger kriege, der das getan hat, dem schneide ich eigenhändig die Kehle durch, und wenn ich lebenslang dafür sitzen muß.«
    »Na, na, Herr Mach. Haben Sie ein bißchen Vertrauen zu uns.«
    Aber man sah ihm an,
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