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Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel
Autoren: Eva Bellin
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Dulcinea geflohen, schied für Wedel als zu läppisch aus. Nein, es war etwas faul an diesem Fall.
    Wedel ließ jeden vom Hotelpersonal einzeln in einem Hotelzimmer erscheinen, das allerdings bei weitem nicht so elegant war wie das Mord-Apartment. Es kostete auch nur lumpige dreihundert Mark pro Nacht, ohne Frühstück selbstverständlich. Wedel konnte sich schwer vorstellen, wie ein Mensch soviel Geld ausgeben konnte, nur um ins Bett zu gehen und zu schlafen.
    Wahrscheinlich übernachteten hier jedoch vornehmlich Spesenritter, letztlich auf Kosten der Kunden oder Zuarbeiter. Hugendübel auch? Wohl kaum. Sonst hätte irgendeine Firma nachgefragt.
    Ach, es machte alles keinen Spaß. Sah gar nicht nach einem zu lösenden Fall aus. Nur daß er das nicht akzeptieren wollte. Wahrscheinlich war es in anderen Berufen auch so: Es gab das Image, und es gab die Wirklichkeit.
    Ein Kommissar war vom Image her stets erfolgreich. Er löste den Fall. Keine Spur entging seinem Adlerauge. Kleinste Fingerzeige nutzte er genial für die Wahrheitsfindung. In der Realität lachte sich der Täter dann in Südamerika oder ganz banal in seiner Mietwohnung irgendwo im Kiez ins Fäustchen.
    Bei Ärzten war's ähnlich. Sie hatten das positive Image und die Spitzenposition auf der Wertschätzungsskala der Leute einerseits – und den eigenen Patientenfriedhof andererseits. Nun ja. Das strahlende Image war stärker als der Pfusch. Oder das Brett vorm Kopf.
    Wedel nahm sich gerade einen der Hotelpagen vor, der es natürlich noch einmal weit bringen wollte. Mindestens zum Direktor. Moritz Mach hieß der Knabe, war hübsch und aufgeweckt und schwul, wie Wedel aus seinem etwas töligen Tonfall schloß.
    Vielleicht wußte Moritz das aber noch gar nicht. Hatte noch kein Coming out gehabt, wie es modisch hieß. Aber es war egal. Heutzutage würde er als Homo keine Probleme mit der Karriere haben.
    »Sie haben das Ehepaar Hugendübel auf dem Zimmer bedient, das haben wir geklärt. Ist Ihnen wirklich nichts Besonderes aufgefallen? Waren die beiden auffällig lieb zueinander? Oder machten sie – oder einer von beiden – vielleicht einen ärgerlichen Eindruck?«
    Moritz sah ihn fest aus stahlblauen Augen an.
    »Sie wirkten normal. Wie ein normales Ehepaar. Das Trinkgeld war auch normal. Nein, mir ist nichts aufgefallen.«
    Wedel erwidere den stahlblauen Blick eisern. Der Junge log. Zumindest verschwieg er etwas. Er setzte eine möglichst sympathische, väterliche Miene auf.
    »Mochten sie die beiden?«
    »Kann ich eigentlich nicht sagen. Ich habe mich nicht weiter um sie gekümmert. Sie sich auch nicht um mich.«
    »Waren es wohl reiche Leute?«
    »Alle Leute hier sind reich, mehr oder weniger.«
    Der Junge war gewitzt.
    »Denken Sie noch einmal nach. Wenn Ihnen etwas einfällt, rufen Sie mich einfach an, ja, Moritz?«
    »Ist gut, Herr Kommissar.«
    Der Portier, Zimmermädchen, Kellner, Chef de Salle – nichts Neues. Zum Kotzen, Herr Major. Einen winzigen Lichtschimmer gab es: Der Tote hatte Zigaretten in der Tasche gehabt, Lucky Strike von der Sorte, die im Osten nachgemacht und eingeschmuggelt wurden.
    Wedel tippte auf ehemaliger Angehöriger der russischen Streitkräfte, abgehauen oder legal abgesetzt. Hielt sich hier mit illegalen Tätigkeiten über Wasser. Es war jedoch unwahrscheinlich, daß man von den Russen eine brauchbare Auskunft bekommen würde. Die waren in ihrem System zu lange zu Geheimhaltung gebimst worden, das steckte ihnen in den Knochen. Aber man mußte es versuchen.
    Wedel nahm sich noch einmal den Mann von der Rezeption vor.
    »Herr Schneyder, Sie haben also Herrn Hugendübel gesehen an dem Morgen, als später der Ermordete gefunden wurde. Gegen neun, sagten Sie?«
    »Gegen neun. Er ging durch die Halle und schaute in meine Richtung. Ich wollte grüßen, aber da guckte er schon wieder weg. Er stieg in den Lift.«
    »Wissen Sie das genau?«
    »Ja.«
    »Und warum sind Sie nicht gleich freiwillig mit Ihrer Beobachtung gekommen?«
    »Na, mir war nicht ganz wohl dabei. Ich wollte nicht reingezogen werden. Dachte auch nicht, daß es wichtig wäre.«
    »Ist Hugendübel wieder runtergekommen?«
    »Ich habe ihn nicht gesehen.«
    »Wie lange hatten Sie Dienst?«
    »Bis sechzehn Uhr.«
    »Und der Tote … der müßte Ihnen oder einem Ihrer Kollegen doch aufgefallen sein. Sah mit seinen Klamotten doch bestimmt nicht aus wie ein Gast vom Grandhotel.«
    »Ach, wissen Sie, Herr Kommissar, hier sind schon Leute in der teuersten Suite
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