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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller
Autoren: Petra Oelker
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und hat wenig Walspeck und viel Eis mitgebracht, auch für unseren   …»
    «Ach, verdammt!» Viktor ließ die Faust auf den Sattelknauf fallen. «Mit dem Bier bei Jakobsen wird es nichts. Du wirst mich auch bei unserer verehrten Madame Malthus entschuldigen müssen, Elias. Ich hatte völlig vergessen, dass ich bei den Herrmanns’ erwartet werde. Wenn ichmich nicht sehr beeile, komme ich schon jetzt zu spät. Das mag Fenna gar nicht, und ich fürchte, Monsieur Herrmanns noch weniger. Mir bleibt nicht mal Zeit, den Staub von Rock und Stiefel zu bürsten.» Er warf einen raschen Blick auf seine mit Erde des Baumgartens überkrusteten Stiefelspitzen. «Der Hausdiener wird schon Bürste und Wasser herbeischaffen, bevor er mich in den Salon bringt. Es ist ja nur ein kleines Diner mit den van Wittens und – ich glaube – den Bocholts. Ganz nette, aber schrecklich langweilige Leute. Und wichtig. Immerhin, Madame Herrmanns ist charmant, findest du nicht? Man merkt gleich, dass sie nicht von hier stammt.»
    Er tippte zwinkernd an seinen Dreispitz, lenkte sein Pferd rasch und sicher durch die Menge und verschwand im Dunkel einer Twiete, dem nächsten Weg zum Haus der Herrmanns’ auf der Wandrahminsel beim Hafen.
    Elias spürte einen Anflug von Hitze auf der Stirn und im Nacken. Er sah seinem Bruder nach und ärgerte sich über seinen Ärger. So war es immer gewesen: Viktor fragte etwas und hörte nicht auf die Antwort. Aber: Sag Vater, sag Mutter, sag dem Pastor, sag diesem, sag jenem – und weg war er, der große Bruder. Und er, der Kleine, blieb zurück und sah ihm nach, allein, sehnsüchtig. Nicht wert, den Großen bei seinen Abenteuern zu begleiten.
    Das war nun Vergangenheit. Er war nicht mehr klein, schon lange nicht mehr, er konnte eigene Abenteuer haben. Doch da war es wieder, dieses Ziehen in der Brust, das er während all der Jahre, die Viktor fort gewesen war, nie gespürt hatte. Es war nicht zu leugnen: Er, Elias, wollte keine Abenteuer. Die Launen der Natur in seinen Gärten und die Finessen des Handels waren ihm Abenteuer genug. Aber nichts, absolut gar nichts hätte er jetzt lieber getan, als seinem Bruder zu folgen und bei diesen ‹schrecklichlangweiligen Leuten› an seiner Seite zu sitzen. Oder an Mademoiselle Fennas Seite, die ihn stets an die ersten milchfarbenen Gladiolen im Sommer und an den zarten Persischen Flieder in seiner Orangerie denken ließ.
    Er hätte nie gewagt, direkt nach einem Ritt vor die Stadt und ohne frisches Hemd bei seinen Gastgebern zu erscheinen. Auch darin unterschieden sich die beiden Brüder. Aber anders als Viktor, der am Ende dieses langen Tages und selbst in morastigen Stiefeln noch frisch und makellos wirkte, klebte Elias’ Haar nass im Nacken und an der Stirn, war sein Hemd zerknittert, beschmutzt und verschwitzt.
    Die Leute, die Elias Malthus als höflichen Menschen mit guten Manieren kannten und ihn an diesem Abend vorüberreiten sahen, wunderten sich. Er grüßte niemanden, schon gar nicht verhielt er seine Stute, um ein paar unverbindliche Worte zu wechseln, wie es doch gute Sitte war. Er starrte mit ausdruckslosem Gesicht geradeaus, und es schien, als lasse er seine Stute den Weg nach dem Malthus’schen Haus in der Neustadt selber finden.
     
    Viktor Malthus hatte sich nicht geirrt – im Prinzip. Fenna Lehnert legte in der Tat Wert auf Pünktlichkeit, was allerdings nur bedeutete, dass sie eine gute Erziehung genossen hatte und Pünktlichkeit als höflich und somit selbstverständlich erachtete. Was wiederum nicht bedeutete, dass sie in dieser Hinsicht als Vorbild gelten konnte. Da half auch die neue, hübsch ziselierte Taschenuhr wenig, besonders wenn man vergaß, sie hervorzuziehen und den Deckel aufzuklappen. In Mademoiselle Lehnerts Kopf ging ein so profaner Gedanke wie der an die Zeit leicht unter, stets gab es so viel zu bedenken, so viel zu erleben, so viel zu sehen. Noch mehr, seit sie das beschauliche Hannover verlassen hatte, um in Hamburg zu leben.
    Sie versprach sich Besserung, immer wieder. Denn Viktor, so dachte sie, mussten Verstöße gegen Disziplin und Pünktlichkeit höchst zuwider sein. Deshalb hatte sie gelassen Theas Spott ertragen, als sie schon am Nachmittag nach ihr rief, um sich bei den vielen winzigen Knöpfen ihres Kleides und bei der Frisur helfen zu lassen. Nun lag die Uhr aufgeklappt vor ihr, das mahnende Ticken war nicht zu überhören. Sie würde, egal was noch geschah, zur rechten Zeit bereit und zur Stelle sein.
    Mit den van
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