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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido
Autoren: Christian Foersch
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Hitze abstrahlten. Er sah das alles vielleicht zum letzten Mal. Er versuchte, sich über den Ausgang des Verfahrens zu freuen, aber es fiel ihm schwer. Er dachte an Sara, und er dachte an Tarantella, der ihn so getäuscht hatte. Wieviel würde man jemals über den Einfluss des Organisierten Verbrechens erfahren? Es nahm Einfluss auf die Politik in Italien, und es wusch sein Geld in Deutschland, in derSchweiz und überall sonst in den sogenannten fortschrittlichen Demokratien. Und wo man Geld wusch, hatte man Macht.
    Während Lunau die Menge beobachtete, die aufgeregt palavernd aus dem Gerichtsgebäude strömte, fasste ihn jemand am Jackettärmel. Es war Joy. Sie trat vor ihn hin, in einem knappen Kleid, das ihre glatten, schlanken Beine zeigte. »Tut mir leid, was meinetwegen passiert ist. Aber ich wollte mich trotzdem bei Ihnen bedanken«, sagte sie.
    Lunau betrachtete das strahlende Gesicht mit den vollen Wangen und den fast unheimlich weißen Augäpfeln. »Sie trifft keine Schuld.«
    Amanda war hinter Joy aufgetaucht. Ihre Wangen glühten.
    »Glückwunsch«, sagte Lunau und sah sich nach Susanna Clerici um. Er hatte sie im Mai zum Tod ihres Sohnes befragt und war tief beeindruckt gewesen von ihrer Haltung. »Es gibt nichts Schlimmeres, als ein Kind zu verlieren. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie er damit umgeht«, hatte sie gesagt. »Wir haben entschieden zu kämpfen.«
    »Danke«, antwortete Amanda. »Kommst du noch mit, ein Glas trinken?«. Er schüttelte den Kopf. »Mein Flugzeug geht in wenigen Stunden.«
    »Immer noch der alte Langweiler.«
    Er hätte sie gerne gefragt, ob sie nur bei Ex angeheuert hatte, um an Arturo Boccafogli heranzukommen, aber angesichts von Joy ersparte er sich diese Taktlosigkeit.
    Das Mädchen umarmte ihn und gab ihm zwei Küsse. »Michael ist verhaftet«, sagte sie.
    »Joy hat Anzeige erstattet«, ergänzte Amanda.
    »Glückwunsch zu Ihrem Mut«, schloss Lunau. Er sah Amanda an. Und ihren Vater. Mit einem zuversichtlichen Lächeln schaute Adelchi Schiavon auf die Gruppe herab.
    »Er wird Mühe haben, weiterhin seine Anzeigenkampagnen zu finanzieren, ohne Tarantella«, sagte Lunau.
    Amanda drehte sich um, sah das Plakat und lachte.
    »Glaubst du, er wusste Bescheid über seinen Sponsor?«, hakte Lunau nach.
    Amanda verdrehte die Augen. »Wir würden gerne feiern. Wenn du ein Glas mit uns trinkst, freuen wir uns, aber verdirb uns nicht die Laune.«
    Er lächelte und küsste Amanda auf die Wangen. Plötzlich wurde ihm klar, dass er keinen Grund mehr hatte, nach Ferrara zurückzukommen. Und daher küsste er sie noch einmal auf den Mund. Sie wich erstaunt zurück, und das versetzte ihm einen Stich.
    Als Lunau den Autoschlüssel aus der Tasche holte und auf die Fahrertür seines Leihwagens richtete, trat ihm Silvia in den Weg. Er hatte Mühe, sie wiederzuerkennen. Sie war blass, die Krähenfüße um die Augen ließen sie zehn Jahre älter aussehen.
    »Hallo«, sagte Lunau. Er fühlte sich schuldig, er fühlte sich ohnmächtig, aber trotzdem freute er sich, Silvia zu sehen. Ihr Anblick hatte immer denselben Effekt und würde ihn auch in vierzig Jahren haben.
    »Warum lächelst du?«, fragte sie. »Freust du dich über den Ausgang des Prozesses?«
    »Nein, ich freue mich, dich zu sehen. Warst du im Saal?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Was machst du dann hier?«
    »Ich habe vermutet, dass du da bist. Und dass du bei deinen beiden Freundinnen bist.«
    Sie machte eine Geste Richtung Enoteca, in der die beiden Mädchen verschwunden waren. Er zog es vor, nicht zu antworten.
    Auch sie schwieg. Dann hob sie den Kopf und blickte ihm direkt ins Gesicht. Er sah ihre vollen Locken, roch den Duft ihrer Haut. Ihre Augen waren feucht, und dann fingen die Tränen an zu laufen. Sie ruderte mit der rechten Hand, ballte eine Faust und schlug damit wie mit einem Hammer auf einen imaginären Holzpflock. Dieselbe Bewegung, die Lunau an Amanda beobachtet hatte.
    »Du fliegst zurück?«, fragte sie.
    Er nickte.
    »Wann?«
    »Jetzt.«
    Sie setzte zum Sprechen an, biss sich auf die vollen Lippen und setzte wieder an. Lunau spürte das Bohren in seinem Magen. Er hätte sie fast an seine Brust gezogen, aber damit hätte er wahrscheinlich alles kaputt gemacht.
    »Mirko hat Sara ein Video gezeigt, das er mit meinem Handy gedreht hat.«
    Lunau schaute Silvia immer noch an. Die Nasenflügel, die schwarzen Wimpern. Er hatte Mühe, ihr zuzuhören.
    »Als sie deine Stimme gehört hat, hat sie plötzlich etwas
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