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Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Titel: Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter
Autoren: Markus Stromiedel
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riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Alles klar bei dir?«
    Erstaunt blickte Simon seinen Vater an: Das war nicht der Satz, den er erwartet hatte. Sie ahnten nichts, begriff er erleichtert. Möglichst beiläufig zuckte er mit den Schultern. »Ist alles okay.« Er hoffte, sie würden nicht merken, dass er ein schlechtes Gewissen hatte.
    Sein Vater antwortete nicht. Simon sah, dass ihn etwas beunruhigte: Nervös drehte er den silbernen Ring an seinem kleinen Finger zwischen den Fingerspitzen der anderen Hand hin und her. Der gelbe Stein, der in einer schlichten Fassung am Ring festgemacht war, glänzte stumpf. Sein Vater suchte nach Worten. »Simon«, sagte er schließlich, »ich muss mit dir reden …«
    Die Stimme der Mutter unterbrach ihn. »Nein, das musst du nicht.« Sie trat hinter Simon und legte die Hand auf seine Schulter. »Es ist zu früh.«
    »Was ist zu früh?« Erstaunt blickte Simon zwischen seinen Eltern hin und her.
    Seine Mutter versuchte ein Lächeln. »Es ist zu früh am Tag. Außerdem sind Ferien und die Sonne scheint. Los, iss auf, und dann raus aus dem Haus. Lern ein paar Freunde kennen. Die sind garantiert nett hier.«
    Simon starrte sie verwundert an. Meinte sie das ernst? Rausgehen und Freunde kennenlernen? Er gehörte nicht hierher und solche Freunde wie zu Hause würde er hier garantiert nicht finden.
    Seine Mutter lächelte aufmunternd. Erst jetzt sah Simon, dass ihre Augen ernst blieben. Stumm aß er auf und trank den Becher mit Milch leer, dann schob er seinen Stuhl zurück und ging hinaus. In der Tür drehte er sich noch einmal um: Seine Eltern sahen ihm schweigend nach.
    Sein Bruder war im Hof vor der Werkstatt und schraubte an seinem Motorroller herum, als Simon das Haus verließ. »Na, Penner, aufgewacht?« Tim grinste. Er fand alles, was er sagte, besonders lässig, vor allem, wenn er es zu Simon sagte. Simon wusste, dass für Tim jüngere Brüder dazu da waren, große Brüder zu bewundern und ansonsten alles zu tun, was man ihnen sagte. »Du kannst mir mal was zu trinken holen.«
    »Hol’s dir doch selber.« Ohne Tim weiter zu beachten, überquerte Simon den Hof und verschwand Richtung Garten. Solange sein Bruder an seinem Schrotthaufen herumfummelte, brauchte er nicht zu befürchten, dass Tim ihn nervte. Seit sein Bruder von den Eltern den alten Roller des Großvaters geschenkt bekommen hatte, war es für ihn das Größte, das rostige Gefährt auseinanderzubauen und wieder zusammenzusetzen, nur um festzustellen, dass es immer noch nicht funktionierte. Simon war fest davon überzeugt, die Sache mit dem Motorroller war ein Trick gewesen, um seinen Bruder ruhig zu stellen: Seit ihrer Ankunft hatte Tim kein Wort mehr über ihre ehemalige Heimat verloren.
    Simon erreichte den Garten und öffnete das Tor. Sonnenlicht funkelte durch die Blätter der Olivenbäume, das Blumenbeet leuchtete, Bienen umschwärmten die üppigen Blütenkelche. Das frisch gemähte Gras roch nach Sommer. Es warein wunderbarer Tag. Und doch merkte Simon, dass ihn etwas beunruhigte. Scheu sah er hinüber zur Scheune. Dort im Gebüsch hatte er den Schatten und die leuchtenden Augen gesehen. Falls er es doch nicht geträumt hatte: Wer oder was war in der Nacht in ihrem Garten gewesen?
    Er wollte gerade die Äste eines Busches zur Seite biegen, um nachzusehen, ob der nächtliche Besucher Spuren hinterlassen hatte, als er stutzte: Die Scheunentür war nur angelehnt! Verblüfft sah sich er sich um. Niemand war zu sehen, auch aus dem Inneren der Scheune drang kein Laut. Zögernd ging Simon zu der Tür und stieß mit den Fingerspitzen gegen das alte, rissige Holz. Die Tür schwang leise knarrend einen Spalt weit auf.
    Simon runzelte die Stirn. Er war sich sicher, dass er die Tür gestern abgeschlossen hatte. Heimlich hatte er den Schlüssel aus dem verborgenen Fach im Arbeitszimmer genommen und ihn nach seinem verbotenen Besuch in der Scheune auch dorthin wieder zurückgebracht. Jemand war nach ihm hier gewesen und hatte die Tür offen stehen gelassen. Nur wer? Sein Vater? Das war unmöglich. Sein Vater drehte jedes Mal, wenn er die Scheune verließ, den Schlüssel sorgfältig im Schloss. War es seine Mutter gewesen? Simon glaubte es nicht, er hatte sie noch nie in der Scheune gesehen.
    Dann blieb nur noch Tim.
    Simon sah hinüber zu seinem Bruder, der gerade mit einem Lappen ein angerostetes Metallteil aufpolierte. Tim war es genauso wie ihm verboten, in die Scheune zu gehen. Doch anders als ihn schien Tim dies überhaupt
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