Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter

Titel: Der Torwächter Bd. 1 - Der Torwächter
Autoren: Markus Stromiedel
Vom Netzwerk:
zitterten. Doch dann sah er es: Ein Schatten glitt durch das Gebüsch neben der alten Scheune, leise und ohne Eile. Der Schatten wurde langsamer, blieb stehen und verschmolz mit der Finsternis.
    Simon beugte sich vor und starrte in die Nacht.
    Auf einmal blitzte etwas auf: Zwei Augen sahen zu ihm hinauf, nur einen kurzen Moment lang, dann waren sie wieder verschwunden. Erschrocken wich Simon zurück. Was war das da draußen? Die Augen hatten geleuchtet, als ob in ihnen ein Licht brennen würde! Vorsichtig, den Atem angehalten, trat er wieder an das Fenster und sah hinaus.
    Der Schatten war fort, auch die Augen waren nirgendwo zu sehen. Nur eine einsame Fledermaus flatterte um die alte Scheune.
    Ein Seufzen ließ Simon zusammenfahren. Sein Bruder bewegte sich im Schlaf, er schmatze leise, sein Bett knarrte, wenig später tönte ein Schnarchen durch den Raum. Kurz überlegte Simon, den Bruder zu wecken und ihm alles zu erzählen, doch dann ließ er es lieber: Tim würde ihm nicht glauben. Er würde ihn stattdessen auslachen, so wie er es immer tat, und ihn danach tagelang verspotten.
    Nach einem letzten Blick aus dem Fenster lief Simon zurück zu seinem Bett. Eilig kletterte er hinein. Vielleicht träume ich das alles tatsächlich nur, sagte er sich, während er die Deckeüber sich zog. Erst jetzt, in der Wärme seines Bettes, merkte Simon, dass er fror. Ob man im Traum auch frieren konnte? Simon wusste es nicht. Müdigkeit ergriff ihn. Er zog das Kopfkissen zu sich heran und kuschelte sich in seine Bettdecke. Sekunden später war er eingeschlafen.

2
    Die Sonne schien ins Zimmer, als Simon am nächsten Morgen erwachte. Aus der Küche war das Klappern von Geschirr zu hören, dazu die Stimmen seiner Eltern, sie unterhielten sich leise. Das Bett seines Bruders war leer. Simon erschrak, weil er dachte, er hätte verschlafen, doch dann erinnerte er sich daran, wo er war und dass er nicht in die Schule musste: Hier hatten die Ferien gerade erst begonnen. Ein wenig traurig sog er die Luft ein, die durch das Fenster hereinkam und die so anders roch als zu Hause: Der Oleander blühte vor dem Haus, der Morgen war gesättigt von seinem Duft.
    Simon kletterte aus dem Bett und ging zum Fenster. Die Oleanderblüten hatten sich geöffnet, die Büsche neben dem Gartentor waren voller roter Sterne. Bienen umschwirrten die Blütenkelche und unter den Zweigen hüpfte ein Rotkehlchen umher.
    Im Licht der Sonne sah der Garten freundlich aus, ganz anders als in der Nacht zuvor. Auch die alte Scheune, die im Mondlicht unheimlich gewesen war, wirkte nun lauschig und einladend. Jetzt, am Tag, kamen ihm seine Erlebnisse der Nacht unwirklich vor.
    Simon ging ins Bad und spritzte sich über dem Waschbeckenein paar Hände voll Wasser ins Gesicht. Prustend richtete er sich auf. Während er sich abtrocknete, betrachtete er sich im Spiegel. Sein Oberkörper war blass, nur die Arme, der Hals und das Gesicht waren von der Sonne gebräunt. Simon mochte es nicht, draußen vor den Augen anderer sein T-Shirt auszuziehen, sein Körper kam ihm in letzter Zeit viel zu schmal und zu dünn vor. Die meisten Jungs an seiner Schule hatten älter als er ausgesehen, und irgendwie waren sie auch cooler gewesen, zumindest emfand er das so. Nur seine beiden besten Freunde waren anders, mit ihnen hatte er über alles geredet. Sogar über seine Träume, und von denen erzählte er sonst niemandem etwas.
    Seine Mutter sah ihn ernst an, als er hinab in die Küche kam. »Guten Morgen.« Sie strich ihm über die blond gelockten Haare und schob ihn zu seinem Platz am Küchentisch, auf dem schon ein geschmiertes Brot und ein Becher mit Milch auf ihn warteten. Simon erwiderte den Gruß, griff nach dem Brot und biss hinein. Erst jetzt bemerkte er, dass auch sein Vater in der Küche war, er stand an den Schrank gelehnt und beobachtete ihn. Er wirkte ernst, so wie seine Mutter.
    Simon durchlief es siedend heiß. Sie wussten es! Sie wussten, dass er in der Scheune gewesen war, obwohl der Vater es ihm streng verboten hatte. Seit sie hier vor zwei Wochen angekommen und in das Haus des Großvaters eingezogen waren, hatte ihn die Scheune magisch angezogen. Das alte Gemäuer mit seinen staubblinden Fenstern stand im Garten hinter dem Haus, mit fest verschlossenen Türen, dafür hatte sein Vater gesorgt. Doch das Verbot hatte Simons Neugier nur noch weiterangestachelt, und immer wieder hatte er darüber nachgedacht, was sich wohl im Inneren der Scheune verbarg.
    Die Stimme seines Vaters
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher